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Xavier Naidoo nun auch im englischen Psiram-Wiki

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Titel bei Haaretz

Titel bei Haaretz

Als die Nominierung Xavier Naidoos für den ESC durch den NDR, vertreten durch Thomas Schreiber (zuständig für Fiktion & Unterhaltung) bekannt wurde, wollten wir eigentlich etwas dazu schreiben. Wie auch viele andere im Netz hatten wir zu Naidoos seltsamen Ansichten gebloggt. Das Thema stand im Fokus. Es war dann nicht mehr nötig; das Thema schlug sofort heftige Wellen. Ob nun bei der GWUP, wo Bernd Harder zudem fleißig viele weiterführende Links zusammengetragen hat, bei den Science Blogs von Thilo bis inzwischen hin zu – man glaubt es kaum – der Zeitung mit den vier Buchstaben. Viel mehr Öffentlichkeit geht nicht.

Naidoo kann einem fast schon Leid tun, er scheint nicht die hellste Kerze am Leuchter zu sein. Man muss ja z.B. nicht zwingend einer Boulevard-Zeitschrift in einem Interview groß verkünden, dass man viel Marihuana raucht und dann über eine Razzia erstaunt sein, bei der dann auch noch soviel gefunden wurde, dass er über Bewährung froh sein konnte – mehrfaches Fahren ohne Führerschein kam ja auch noch dazu. Jedenfalls, man muss da nicht nachtreten. Rein tontechnisch kann er singen, er ist ein guter Sänger, auch wenn seine religiöse Schwülstigkeit an manche hohe Toleranzansprüche stellt. Aber die Welt ist bunt, wo ein Grölemeyer Stadien füllen kann, muss auch ein Naidoo erlaubt sein.

Jedenfalls haben sich inzwischen auch englischsprachige Medien der Sache angenommen, z.B. Haaretz, und nachdem man über Naidoo im englischsprachigen Raum kaum etwas findet, haben wir das getan, was wir am Besten können – etwas Informationen zusammengetragen, um eine vernünftige Basis zu schaffen, dieses deutsche Phänomen vielleicht verstehen zu können:

Xavier Naidoo, english article

Viel interessanter wäre noch, in Erfahrung zu bringen, in welcher Welt so Leute wie Thomas Schreiber vom NDR leben, um so eine Idee nicht schon im Vorfeld abzuhaken. Man mag von dieser ESC-Veranstaltung halten, was man will, es ist ein Wettkampf der Länder, und da ist es nicht mehr egal, wenn der Vertreter des eigenen Landes meint, es existiere gar nicht.

 

 

 

 


Xavier Naidoo – at long last an entry at Psiram’s English Wiki

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Titel bei Haaretz

Headline at Haaretz

 

When news spread that Xavier Naidoo had been nominated for the European Song Contest by public broadcaster NDR – represented by Thomas Schreiber (responsible for Fiction & Entertainment) – , we meant to cover this. Like many others in the internet, we had already written a blog article on Naidoo’s strange views some time ago. The issue was hot again now. It became even hotter with many blogs and comments covering it – including (although it’s hard to believe) Germany’s largest tabloid, also known as the Four-Letter Rag. There isn’t much more publicity to be had.

It’s almost apt to feel pity for Naidoo who doesn’t quite seem to be the sharpest knife in the kitchen. After all, one doesn’t exactly need to tell a tabloid in an interview one smokes lots of grass and then be utterly surprised one’s flat gets raided. Well, the raid even found enough dope stashed away that he should have counted his blessings to get away on probation – particularly when repeated driving without a licence came on top of that little stash problem. Anyways, we don’t mean to rub it in. Remaining strictly acoustic, at least he is a good singer [Please take due note that author and translator hold slightly diverging views as far as this marginality is concerned], even if his religious bombasticalness poses a serious challenge to some people’s tolerance. Still, the world is round, and if a Grönemeyer – sometimes fondly called ‚Grölemeyer‘ [ ~ Bawlmeyer] – draws large audiences, there will also be a place for a Naidoo.

But Naidoo apparently shares views usually spread in the Reich Citizen’s movement, and he has taken part in some of their protests. Did we already happen to mention sharp knives and kitchens? In a hasty attempt of damage control, however, Naidoo even renounced his formerly best friends, or probably „Kameraden“, within a few hours when an excremental hurricane broke lose as soon as news about his ESC participation got published. Have we already mused about the characteristics of certain cutlery items?

Anyways, since meanwhile also English-language media have reported, e.g. Haaretz, and since Naidoo does not seem to have been covered sufficiently in the English-speaking world, we did what we do best: gather information to create a sensible basis to understand this German phenomenon:

Xavier Naidoo, english article

It would, however, be somewhat more interesting to learn what makes people like NDR’s Thomas Schreiber tick, so that he did not dismiss such an idea right after it popped up. One may think about this ESC event whatever one likes – it’s a contest of countries, and this means it is more than a matter of not giving a flying one when the person representing one’s country firmly believes this country does not exist at all.

John Fire Lame Deer Jr & Dr. Stephan Götze: Angeln nach (zukünftig) zahlungskräftiger Kundschaft, oder: Hogwarts-am-Rhein eröffnet

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Ja, liebe Leser: Hogwarts stellt eine neue Dependance vor – die „Hochschule der Wirtschaft für Management“ aus Mannheim! Der Wikipedia-Eintrag tendiert zur werblichen Darstellung und bescheidet sich mit einer überschaubaren Anzahl von Quellenangaben. Die Hochschule nahm im April 2011 den Betrieb auf und hatte im WS 2014/15 379 Studierende.

S_Götze

Stephan Götze

Bereits seit 2013 müht sich Dr. Stephan Götze, seinen Arbeitgeber zur Unsinn lehrenden Lachnummer zu degradieren. Eingestellt als Lehrbeauftragter für „Nachhaltigkeit und Markteting & Research“ ist dies nun nicht alles, wofür er bezahlt wird. Eine unappetitliche Mischung aus Berufsarbeit und privatem Zeitvertreib kommt hinzu.

Neben Marketing & Research war Götze „Schamanenschüler“ von Archie Fire Lame Deer. Obwohl Archie Fire als Medizinperson ausgebildet war, sahen ihn die Lakota sehr kontrovers, da er Weiße zu Zeremonien zuließ, sie unterwies und ausbildete. Mr Fire hat daran mitgewirkt, eine Fülle von Plastikschamanen zu schaffen, die gegen Geldzahlung weitere „schamanische“ Ausbeuter ausbilden, die wenig lernen, dies nur teilweise begreifen und ihrerseits wiederum noch weniger weitergeben können. Mr Fire hat ebenfalls den ersten bekannt gewordenen Tod eines Esoterikers zu verantworten, als am 12. Juli 1980 sein zahlender Kunde Ronald Delgado während einer von Fire durchgeführten Visionssuche starb.

Archie Fire Lame Deer

Der Vorfahr Archie Fire Lame Deer…

Bereits 2013 veröffentliche Götze ein Buch mit dem Titel „Hüter der Schöpfung: Der indianische Weg zur Heilung der Erde und des Menschen“, das im Mankau-Verlag erschien. Es mag für Götze überraschend sein, dass es keine generische „indianische“ Kultur gibt, aber das schiebt er möglicherweise als „Peanuts“ beiseite. Auf S. 30 stellt er dar, wie er Archie Fire traf und fährt durch das Buch hinweg damit fort zu beschreiben, an welchen Zeremonien er teilnahm und welche er lernte – und natürlich: seine „Initiationen“. Wie z.B. eine Initiation, mit der er 1997 angeblich zum Heyoka gemacht wurde, an einem angeblich heiligen Ort in Österreich (S. 72). Die Spiritualität der Lakota kennt heilige Orte, aber diese liegen nicht in Europa. Und im Gegensatz zu Götzes Darstellung gibt es in der Spiritualität der Lakota keine „Initiation“ zum Heyoka und man kann auch nicht dazu ausgebildet werden.

Im Buch sowie in Interviews mit esoterischen Magazinen behauptet Götze ferner, dass er die Aufgabe erhalten habe, als „Lakota Communicator“ zu fungieren. Das ist ja schon mal eine Hausnummer, die von einer großzügigen Portion weißer Überlegenheit und weißem Anspruchsdenken zeugt, da dies impliziert, die Lakota könnten das nicht selbst, sondern bräuchten einen Weißen dafür.

Götze ist aber ein Mann mit vielen Talenten: in einem Interview behauptet er auch, die „Erscheinung von Crazy Horse, dem letzten Häuptling der Lakota“ gehabt zu haben. Das hört sich genau so lange imponierend an wie der Leser nicht weiß, dass Tashunka Witko kein „Häuptling der Lakota“ war und ganz sicherlich nicht der letzte.

Außerdem behauptet Götze in seinem Buch von 2013: „Dieses Buch ist meine ‚Botschaft‘. Ich habe dafür das Einverständnis der Lakota-Familie in Europa und von John Fire Lame Deer, Archies Sohn und Nachfolger, sowie seiner ältesten Tochter Josephine Fire Lame Deer.“ (S. 72) Der Name der Familie ist übrigens ein schlichtes „Fire“, aber bereits Archie Fire begann, den Lakota-Namen seines Vaters Tahca Ushte in englischer Übersetzung anzufügen, da der ältere John Tahca Ushte Fire ein bekannter und respektierter Medizinmann war. John Jr., der nach seinem Großvater benannt wurde, und seine Schwester Josephine haben Archies Geschäftstätigkeit fortgeführt, Europäern und Euro-Amerikanern Zeremonien und Ausbildungen zu verkaufen. Aber von welcher „Lakota-Familie in Europa“ mag Götze hier sprechen?

...und der Nachfahre John Lame Deer

…und der Nachfahre John Fire Lame Deer

In ähnlicher Weise überbetont Götze seine Verbindung zu den Lakota in einer Äußerung gegenüber einer örtlichen Zeitung: „Seit Jahren ist er mit den Lakota befreundet“. Mit allen? Mit jedem einzelnen? In den USA und in Kanada? Wir wären ja gebührend beeindruckt, wären da nicht rassistische Unter(?)töne in dieser Beschreibung – eine ganze Ethnie, mit der ein einzelner Mann befreundet ist, der Große Weiße Eso-Vater, der seine „roten Kinder“ bevormundet.

Dabei ist es offenbar auch statthaft, die Rolle derjenigen Lakota aufzupolieren, die Götze das Renomee aufhübschen sollen, denn eine andere Mannheimer Nachrichtenplattform meldet: „Eigens aus den USA angereist ist John Fire Lame Deer, Häuptling und geistlicher Führer der Lakota-Sioux und Sprecher der indigenen Völker Nordamerikas.“ Leider sind das nur ein paar Eimer Politur und keine Fakten. John Jr. ist kein Häuptling, insbesondere nicht aller Lakota, die heutzutage über mehrere Reservationen in den USA und Kanada verteilt leben. John Jr. ist auch kein Medizinmann und nie in einer entsprechenden Ausbildung gewesen, und auf einen Beleg, dass er von allen sieben(!) Lakotagruppen oder auch nur von einer als „spiritueller Führer“ betrachtet wird, darf man gespannt sein. Die Behauptung, John Jr. sei der „Sprecher aller indigenen Völker in Nordamerika“, ist noch lächerlicher; eine derartige Position gibt es nicht und kann wohl auch nur von Wanabi-Geschäftemachern und „Schamanen“ erfunden werden.

Im September 2015 gründeten Götze und John Jr. Presseartikeln zufolge außerdem noch einen gemeinnützigen Verein namens „indi gen e.V.“; sein Ziel soll die „Erforschung und Kommunikation der jahrtausendealten Naturlehren indigener Völker [sein]. Im Kern geht es dabei schlicht um den Erhalt der Schöpfung.“ Der sogenannte Vereinskodex (Stand 25. Mai 2015) besagt weiterhin: „Der Zweck des Vereins ist die Förderung der Verbindung von indigenem Wissen mit den Erkenntnissen moderner Wissenschaft zum Wohle aller Lebewesen und einer intakten Natur. […] Indigenes Urwissen kann aus wissenschaftstheoretischer Sicht zur Theoriebildung bei Forschungen herangezogen werden.“

Die Satzung kündigt ferner an: „Um die Einheit und das Wesen der Dinge zu erleben, bieten wir auch Zeremonien mit der und für die Natur in uralter, überlieferter Weise an. Diese werden ausschließlich in der jeweils originalen Form der indigenen Völker durchgeführt und begleitet von Menschen, die dafür wirklich qualifiziert und anerkannt sind. Wir sind bemüht, derartige Zeremonien möglichst vielen Interessierten zugänglich zu machen.“

Während die behaupteten Qualifikationen bezweifelt werden müssen, da Plastikschamanen und ihre (früheren) Schüler in aller Regel solche Qualifikationen nicht aufweisen, scheint das letztere Ziel nur zu sehr der Wahrheit zu entsprechen – vorausgesetzt die Interessenten können die geforderten Summen für die Teilnahme abdrücken. Ebenfalls zu bezweifeln ist, dass Zeremonien in der originalen Form durchgeführt werden, da selbst in esoterischen Kreisen bekannt ist, dass Archie Fire Lame Deer zumeist eine sogenannte eigene Form der Lakota-Zeremonien lehrte, die eben nicht mit der überlieferten Form übereinstimmt.

Ein Satz fasst offenbar die Ziele des gemeinnützigen Vereins gut zusammen: „Erfahrungsaustausch findet im „indi gen e.v.“ in Seminaren und Camps mit uralten Zeremonien der indigenen Völker statt“. Wir nehmen durchaus Notiz vom Gebrauch des Plural bei „Zeremonien“ und „Völker“.

2. Vorsitzende Ute Rühl

2. Vorsitzende Ute Rühl

Erster Vorstand des Vereins ist Stephan Götze, zweiter Vorstand ist Ute Rühl, die als „Lehrbeauftragte für Maschinenbaukonstruktion an der HTWG Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, Konstanz“ sowie als „Unternehmensberaterin – Technische Abläufe und Mediation“ vorgestellt wird. Zusätzlich werden die Leser informiert, dass Rühl seit über 20 Jahren mit der Familie Lame Deer befreundet sei . Das heißt, dass sie ebenfalls eine Schülerin des 2001 verstorbenen Archie Fire Lame Deer war; ab 2001 übernahm John Jr. die Geschäfte des Vaters. John Jr. ist jedoch nicht als Vorstandsmitglied aufgeführt; möglicherweise begrenzte sich seine Aufgabe auf das Beisteuern der gewünschten Prise Exotik.

Wenn es um das Aufbrezeln geht, scheint Götze recht gewandt, da seine Vereinswebseite und auch örtliche Zeitungen behaupten:

Am 17. Mai 2014 eröffnete John Fire Lame Deer zusammen mit Prof. Dr. Dr. h.c. Ernst Ulrich von Weizsäcker an der HdWM Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim eine Kooperation zwischen den indigenen Völkern, im Namen der Vollversammlung der Häuptlinge der nordamerikanischen Stämme, und der Wissenschaft und Industrie.

Mit der auf dem Hochschul-Campus Mannheim-Neckarau vorgenommenen Vereinsgründung soll ein internationaler Beitrag zur Diskussion um das weltweite Thema Nachhaltigkeit geleistet werden. Initiatoren sind der Vorstandsvorsitzende des Internationalen Bundes (IB), Thiemo Fojkar, der Wirtschaftsphilosoph Prof. Dr. Uwe Hochmuth sowie Dr. Stephan Götze, Lehrbeauftragter für Marketingmanagement und Nachhaltigkeit an der Hochschule.

Die nächste Zeitung, der nächste Titel. Es gibt keine „Vollversammlung der Häuptlinge der nordamerikanischen Stämme“, sofern sie eine Versammlung traditioneller Häuptlinge meinen. Der NCAI (National Congress of American Indians), den es sehr wohl gibt, ist eine Organisation von gewählten Regierungschefs der indigenen Stämme der USA und auf dessen Webseite ist nichts zu einer Kooperation zu erfahren, die im Namen des NCAI gegründet worden wäre.

Obgleich offiziell erst im September 2015 gegründet, führte der Verein bereits vom 4. bis 7. Juni sein erstes Seminar durch. Während des Wochenendseminars wurden zwei von John Jr. veranstaltete Schwitzhütten angeboten. John Jr. wird in der Seminarankündigung beschrieben als „John Fire Lame Deer ist Häuptling der Lakota und zugleich Repräsentant der Vollversammlung der Häuptlinge der nordamerikanischen Indianerstämme“. Leider ist er keins von beiden. Im bürgerlichen Leben ist John Jr. Zimmermann, aber das würde ihn ja für die Veranstaltungen des Vereins so gar nicht interessant machen.

Jedoch wird die Lackschicht immer noch nicht als ausreichend angesehen, um das Profil von John Jr. aufzubrezeln, da der Flyer für das Seminar auch noch behauptet: „Er ist damit wie sein Vater der »Sundance Chief of all the north american Sundances« und dabei der sogenannte »Interceptor«, der Mittler zwischen dem »Großen Geist« und den Menschen.“ Ein Sonnentanzhäuptling aller nordamerikanischen Sonnentänze? Albernheiten!

Aber sie können es immer noch einen besser: „Lame Deer trat 2001 die Nachfolge seiner legendären Vorfahren als Häuptling an. Seine Urgroßväter unterzeichneten die Verträge mit der amerikanischen Regierung und führten zusammen mit Red Cloud die Sioux in der Schlacht von Little Bighorn. Seine Familie blickt auf ein mehrtausendjähriges Wissen über die Natur und Heilweisen zurück.

Ungenauigkeiten wie die Erwähnung nur der Lakota als Teilnehmer am Gefecht und die ebenfalls teilnehmenden Northern Cheyenne und Northern Arapahoe zu übersehen runden die Darstellung unschön ab. Einige der Vorfahren von Mr Fire jun. haben vermutlich auch Verträge unterzeichnet; solange er die Namen dieser Vorfahren nicht mitteilt, bleibt es ja auch bei einer bequemen Behauptung. Die Position eines Häuptlings ist bei den Lakota auch nicht erblich. Jedenfalls hat Red Cloud nicht am Gefecht am Little Bighorn teilgenommen, da er sich schon zuvor zum Kriegsgegner gewandelt hatte und zum Zeitpunkt der Schlacht bereits auf der Reservation Pine Ridge ansässig war. Die militärischen Anführer am Little Bighorn waren Crazy Horse und Gall. Es ist zudem nicht plausibel, dass John Jr.s Urgroßväter am Gefecht am Little Bighorn teilgenommen haben sollen, da sein Großvater John sen. erst 1903 geboren wurde (das Gefecht fand im Juni 1876 statt, ein Urgroßvater als militärischer Anführer hätte zu diesem Zeitpunkt bereits ein gestandenes Alter gehabt). Nun gut, wir haben ja schon erlebt, dass Esoteriker zwar rechnen können, wenn es um das Einkommen geht, aber nicht, wenn sie Geburtsjahre oder Generationen angeben.

Eine weitere Referentin beim Seminar war Barbara Wittmann, eine Münchner IT-Beraterin und Autorin. Ihr wird in der Vorstellung eine langjährige Erfahrung als „Vision Quest Guide“ zugeschrieben, die insbesondere zahlreiche Manager durch die Visionssuche geleitet habe. Wittmann hat das Buch „Meetings in Mokassins: Führen mit Weisheit und Seelenreife“ geschrieben und führt eine eigene Firma, die offenbar mindestens zweimal umbenannt wurde. Zunächst scheint sie als „Tribal Wisdom“ firmiert zu haben, nach der von Wittmann gelehrten Methode, dann war es „Die erste Geige“; inzwischen läuft Wittmanns Webseite schlicht als „barbarawittmann.de“. Es ist noch erwähnenswert, dass der in Anspruch genommene Titel „Vision Quest Guide“ auch nicht mit der Spiritualität der Lakota in Einklang zu bringen ist.

Der Seminarflyer kündigt sogar einige Gäste an, wie z.B. Thiemo Fojkar, der Vorstandsvorsitzender des IB Internationaler Bund ist, eines großen nicht-staatlichen Träger von Bildungseinrichtungen mit 13.000 Angestellten und 300 Geschäftsstellen. Gleichzeitig ist der IB der Hauptanteilseigner der Mannheimer Hochschule, die Götzes Arbeitgeber ist. Ach ja.

Als weiterer Gast ist Raphael Mankau genannt, der Inhaber des Mankau-Verlags, dem für seine Bemühungen gedankt wird, ohne die die Vereinsgründung nicht möglich gewesen sei. Während „indi gen e.V.“ die Verlagsaktivitäten im Bereich „Gesundheit und Psychologie“ verortet, befassen sich die Veröffentlichungen tatsächlich mit esoterischen und alternativmedizinischen Themen. Zu den Kernbereichen gehören Homöopathie, Schüßler-Salze, Homöopathie zum Aufmalen, TCM, „Heilen mit Zahlen“ und „Heilen mit Kosmischen Klängen“.

All dies deutet darauf hin, dass der Verein sich in erster Linie um Kundschaft bemüht, die sich um ein paar Euro mehr oder weniger keinen Kopf machen muss, sondern eine recht gut gepolsterte Klientel anvisiert, die womöglich nicht einmal aus der eigenen Tasche zahlt, da die Teilnahme von ihren Arbeitgebern finanziert wird. Also eine ganz andere Hausnummer als das übliche Eso-Klientel von manchmal bescheidenen Möglichkeiten, dem man auch noch einen Nachlass einräumen muss. Daher rief der „indi gen e.V.“ für ein kurzes Wochenendseminar gleich € 990 plus MWSt auf. Üblicherweise müssen Preise in Deutschland die Mehrwertsteuer beinhalten – außer das Angebot richtet sich an Selbständige, Freiberufler, Gewerbetreibende etc. Für ein im Grunde zweitägiges Seminar (Freitag abend bis Sonntag nachmittag) ist das ein nettes Sümmchen. Selbst wenn die maximale Teilnehmerzahl auf 30 Personen begrenzt war und die Summe Unterkunft, Verpflegung und Seminarmaterial umfasste, wird der Rest für den Vereinssäckel ein hübsch warmer Regen gewesen sein.

Zwar ist die Mischung von „Spiritualität“ und Unternehmensberatung sicherlich nichts Neues, aber diese Kombination, bei der der Arbeitgeber, eine Hochschule, dafür genutzt wird, ein wenig nebenher einzustreichen plus Kundenakquise zu betreiben plus nicht zuletzt den Anschein von Seriosität, Wissenschaft und Vertrauenswürdigkeit liefern darf – das ist schon ein seltenes Beispiel an Dreistigkeit.

 

John Fire Lame Deer Jr & Dr Stephan Götze: Casting the net for the (prospective) affluent, or: Hogwarts-on-Rhine just opened shop

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Yes, dear readers: Hogwarts presents a new branch – the „University of Applied Management Studies“ in the town of Mannheim in Germany! (Its original German title is somewhat less impressive with an „Academy of Economy for Management“.) Its Wikipedia article is somewhat on the advertising side and offers but a modest list of references. Having taken up business in April 2011, the academy had 379 students in the winter term of 2014/15.

S_Götze

Stephan Götze

Already since 2013, Dr Stephan Götze has been working hard at reducing his employer to laughingstock teaching hogwash. Hired as a „lecturer for Sustainability and Marketing & Research“, however, this is not all he’s getting paid for. An unsavoury blend of professional work and private pastimes comes on top of that.

Besides Marketing & Research, Götze has been a „shamanic“ student of Archie Fire Lame Deer. Although Archie Fire was trained as a medicine person, he was viewed highly controversially by the Lakota for accepting white persons at ceremonies and teaching and training them. Mr Fire has helped to produce a plethora of Wanabi shame-ons training more and more „shamanic“ exploiters who picked up little, understood only part of that, and pass on even less. Mr Fire also caused the first reported fatality of a Newager when his client Ronald Delgado died in a vision quest led by Fire on July 12, 1980.

Archie Fire Lame Deer

Father Archie Fire Lame Deer…

Already in 2013, Götze published a book titled „Keeper of Creation: The Indian Way to Heal the Earth and Humans“. It may come as a surprise to Götze that there is no generic „Indian“ way or culture, but he will probably dismiss this as mere peanuts. On p. 30, he mentions how he met Archie Fire, and throughout the book he explains which ceremonies he did and learned, and – oh yes: his „initiations“. E.g. an initiation rite to become a Heyoka in 1997, at an alleged sacred place in Austria (p. 72). So Lakota spirituality does know sacred places, but these are all in the ancient Lakota homelands, not in Europe. And contrary to Götze’s account, Lakota spirituality knows no initiation to become a Heyoka, nor does one get trained as one.

In his book as well as in interviews with Newage magazines, Götze also claims he received the task to act as a „Lakota Communicator“. Nice one indeed, and it speaks of a generous helping of supremacy and entitledness implying the Lakota were not able to do this job themselves but needed a white person.

But Götze is a man of many talents: in an interview, he also claims to have seen „the apparition of Crazy Horse, the last chief of the Lakota“. Which sounds impressive as long as readers don’t know that Tashunka Witko was no „chief of the Lakota“ and certainly not the last one.

Additionally, Götze says in his 2013 book: „I obtained the agreement [for the book] of the Lakota family in Europe, and of John Fire Lame Deer Jr and Josephine Fire Lame Deer“. The family name, by the way, is a mere and modest „Fire“, but already Archie Fire began using his father’s Lakota name Tahca Ushte in English translation, as the elder John Tahca Ushte Fire was a renowned and respected medicine person. John Jr who was named after his grandfather and his sister Josephine have taken up Archie’s business of selling ceremonies to Euros and Euro-Americans. But which „Lakota family in Europe“ is Götze on about?

...und der Nachfahre John Lame Deer

…and son John Fire Lame Deer Jr.

In a similar way, Götze exaggerates his connection to the Lakota when he has a local newspaper write:

Since years, he is friends with the Lakota.

All of them? Every single one? In the USA and Canada? We should be duly impressed, if it were not for the racist under(?)tones of this description – a whole nation one single man is friends with, the Great White Newage Father patronising his „red children“.

To this end, it is of course also permitted to exaggerate the role of those Lakota Götze wishes to add to his fame and glory, as another Mannheim newsproject writes:

Specially arrived from USA is John Fire Lame Deer, chief and spiritual leader of the Lakota Sioux and Speaker of the indigenous peoples of North America.

Unfortunately, all this is just buckets of polish and no facts. John Jr is no chief, particularly not of all Lakota who today are scattered on several reservations in the USA and Canada. John Jr is no medicine person, has never been trained as one, and any evidence that he is regarded as a „spiritual leader“ by all seven Lakota groups or even just one of them would certainly be interesting to see. Even more ridiculous is the claim John Jr was „the Speaker of the indigenous peoples of North America“; such a position is unheard of, does not exist, but quite the material Wanabi wheeler-deelers and shame-ons would use to impress clients.

In September 2015, Götze and John Jr also founded a non-profit association which goes by the name of „indi gen e.V.“; it’s aim is said to be „the research and communication of the ancient nature teachings of indigenous peoples. Basically, this is about preserving creation“. The charter says: „It is the aim of the association to further the connection between indigenous wisdom and the perceptions of modern science for the benefit of all living creatures and an intact nature. […] Indigenous primordeal knowledge may be consulted from a science theoretical view to allow the formation of theories in research“.

It further contends: „To experience oneness and the nature of things we also offer ceremonies with and for nature in ancient ways passed down. These will be done exclusively in the respective original form of indigenous peoples and will be accompanied by persons who are really qualified and recognised to do this. We aim at providing access to such ceremonies to as many interested persons as possible.“ While the qualifications claimed need to be disputed, as plastic shamans and their former students will definitely lack such qualifications as a rule of thumb, the latter goal seems only too true – provided these interested persons can afford to cough up the fees. It must furthermore be doubted that ceremonies will be done in their original form, since it is well-known even in Newage circles that Archie Fire Lame Deer used to teach his own ways of ceremonies which thus were not in correspondence with the original ways of doing them.

One sentence seems to sum up the non-profit’s aims: „The exchange of experience in „indi gen e.V.“ will be effected in seminars and camps with primordial ceremonies of indigenous peoples“. And we take due not of the plural forms in „ceremonies“ and „peoples“.

2. Vorsitzende Ute Rühl

Vice President Ute Rühl

President of the non-profit is Stephan Götze, Vice President is Ute Rühl who gets introduced as an assistant professor at the Academy for Technics, Economy, and Design in the town of Konstanz, and a business consultant. Additionally, readers are informed that Rühl has been a friend of the Lame Deer family for more than 20 years. This means Rühl, too, has been a student of Archie Fire Lame Deer who died in 2001, when John Jr took up the business. John Jr does not seem to be on the board, his task was probably confined to adding a dose of exotic flavour.

When it comes to adding flavour, Götze seems to be quite adroit, as his non-profit’s website and local news projects claim:

On May 17, 2014, John Fire Lame Deer and Prof Dr Dr h.c. Ernst Ulrich von Weizsäcker established a cooperation between the indigenous peoples at HdWM Academy of Economics for Management in Mannheim, in the name of the plenum of chiefs of the North American Tribes, with economy and industry.

With the founding of the non-profit which took place at the premises of the Academy’s campus in Mannheim-Neckarau, they aim at introducing an international contribution to the world-wide issue of sustainability. Initiators are the board chairman of IB Internationaler Bund, Thiemo Fojkar, Prof. Dr Uwe Hochmuth, a philosopher of economics, and Dr Stephan Götze, assistant lecturer for Marketing Management and Sustainability at the Academy.

Another newspaper, another title brushing up fame. There is no „plenum of chiefs“, provided they mean an assembly of traditional chiefs. The NCAI (National Congress of American Indians), which does exist, is an organisation of elected tribal government leaders, and their website does not say anything about such a cooperation established in their name.

Albeit having been founded officially in September 2015, the non-profit apparently organised its first seminar from June 4-7, 2015: The three-day seminar offered two sweatlodges done by John Fire Lame Deer Jr; John Jr gets characterised as „John Fire Lame Deer is the chief of the Lakota and at the same time representative of the plenary meeting of Chiefs of North American Indian Tribes“. Unfortunately, he is neither. In real life, John Jr happens to be a carpenter, but this of course would not qualify him for anything the non-profit advertises.

But this is apparently not thought sufficient to polish up John Jr’s profile, since the flyer for the seminar also claims: „Like his father he is thus the ‚Sundance Chief of all north american Sundances‘ and the so-called ‚Interceptor‘ between the ‚Great Spirit‘ and humans.“ A Sundance Chief of all North American Sundances? Ridiculous.

And they can still do better than all this: „In 2001, Lame Deer became the successor to all his legendary ancestors as a chief. His great-grandfathers signed the treaties with the American government and, together with Red Cloud, led the Sioux in the battle of Little Bighorn. His family is looking back to several thousands of years of knowledge about nature and healing methods.“

Some of his ancestors may probably have signed treaties, but his ancestors go conveniently unnamed, and the position of a chief is not hereditary in Lakota culture. However, Red Cloud did not participate in the battle at Little Bighorn, as he had become an advocate against war and had agreed to live on Pine Ridge Reservation before this battle took place. The military leaders at Little Bighorn were Crazy Horse and Gall. It is also not quite feasible that John Jr’s great-grandfathers fought at Little Bighorn, since his grandfather John Sr was only born in 1903. Well, we have seen before that Newagers know how to do maths when their income is concerned, but not when it comes to dates of birth and generations of particular ancestors.

Another lecturer at the seminar was Barbara Wittmann, a Munich IT consultant and author. She is advertised as having long-term experience as a „Vision Quest Guide“ who particularly guided numerous executives. She authored the book „Meetings in Moccasins. Leadership with wisdom and maturity“ and runs her own consulting company which apparently got renamed at least twice. Initially, it seems to have been named „tribal wisdom“, along with the method she claimed to be teaching, then it was „The First Violin“ (which in German language implies „to call the tune“); meanwhile her site is a plain „barbarawittmann.de“. It must be noted, however, that a „Vision Quest Guide“ as described above is unknown in Lakota spirituality.

The seminar flyer even announced guests, like one Thiemo Fojkar who is the head of IB „Internationaler Bund“, a large „non-state-owned provider in the educational field with 13,000 employees and 300 agencies“. At the same time, IB is the majority shareholder with the Academy who happens to be Götze’s employer. Ah so.

Another guest mentioned was Rapahel Mankau, owner of publishing House Mankau-Verlags who gets praised for his major efforts which made founding the non-profit possible. While „indi gen e.V.“ says the publishing house’s main activities were in the field of health and psychology, its publications in fact deal with Newage and pseudo-medical issues. Some of its core areas are homoeopathy, Schuessler salts, paint-on homoeopathy, Traditional Chinese Medicine, „Healing with numbers“, and „Healing with cosmic sounds“.

All this indicates the non-profit is out to target customers who don’t need to worry about a few Euros give and take, and wishes to attract a rather affluent clientele of executive managers who often enough won’t have to pay out of their own pocket, but whose participation will be financed by their employers. Quite a different kettle of fish than the run-of-the-mill Newage audience of sometimes modest means whom one will have to grant reductions. Therefore, a mere weekend seminar with „indi gen e.V.“ amounted to € 990 plus VAT. In fact, prices in Germany must include VAT – except for offers which are to address an audience of self-employed, free-lancers, CEOs, owners of companies etc. For a more or less two-day seminar (Friday evening to Sunday afternoon), this is quite a bit of money. Even if the maximum number of participants was limited to 30 persons, and the amount including accomodation, catering, and seminar material, the left-overs will have provided quite a heart-warming amount for the „indi gen e.V.“ coffers.

While the mix of „spirituality“ and consulting is certainly not new, this combination of using one’s employer, an academy, to promote one’s making a little on the side plus acquiring paying customers plus, last not least, for providing the air of respectability, science, and trust is a rare example of brazenness.

Der Sänger, der Bullshit und die Kultur

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Naidookalypse

Die Sympathisantenfront schließt ihre Reihen: 70.000 Euro hat es sich der Impresario des Goldenen-Brett-vorm Kopf-Preisträgers und Goldenen-Aluhut-Laureaten Xavier Naidoo kosten lassen, um in einer Kingsize-Anzeige gegen den Rauswurf des Schützlings aus der ESC-Nominierung zu protestieren. Man findet auf der Unterstützerliste manches erwartete, allerdings auch manches eher überraschende Bekenntnis. Eine breit aufgestellte Querfront scheint sich zu bilden. Sie reicht in den Verzweigungen der neuen Medien von Lutz Bachmann auf Rechtsaußen bis zu Dr. Diether Dehm auf der selbst wahrgenommenen, gelegentlich auf Montagsdemos agierenden Linken. Der Empörungsaufschrei ist dabei allerdings nicht so ganz harmonisch gestimmt, denn einerseits werden Stimmen laut, die den ausgebooteten Sangesbruder allen Ernstes damit verteidigen, er habe inhaltlich ja Recht

Warum es rechtsradikal oder -populistisch sein soll, festzustellen, daß deutschland ein grundgesetz, aber keine verfassung hat, leuchtet mir als journalist nicht ein…

Dr.Harold Woetzel

Dokumentarfilmer für die ARD/SWR Fernsehen

bis zu der mit größtmöglichem Gestus vorgetragenen These, die Verbreitung von Blödsinn sei wegen der darin zum Ausdruck kommenden Meinungsvielfalt Ausdruck von „Kultur“:

„Wir brauchen keine Gesinnungspolizei oder Meinungsüberwachung, sondern hoffentlich 80 Millionen verschiedene Köpfe und Wahrheiten. Solange niemand davon verhetzt, verunglimpft, verletzt oder ausgegrenzt wird, ist das Kultur.“

 

Dass man das, was eine verfassungsgebende Versammlung mit verfassungsgebender Mehrheit als Regelwerk der Staatsorganisation und als grundlegende Definition der Rechte des Bürgers gegenüber seinem Staat „Verfassungsrecht“ nennt, auch wenn ein anderer Name drüber steht, mag einem Dokumentarfilmer für den Südwestrundfunk schon einmal entgehen, wenn’s um die Wurst geht. Belustigend daran ist jedenfalls, auf welchen Ebenen man den Apologeten begegnet und wer das dann auch brav zitiert.

Ernster ist der Einwand mit den 80 Millionen Wahrheiten zu nehmen, die angeblich „Kultur“ konstituieren sollen, denn hier – und genau hier – liegt das gefährliche Missverständnis der Naidoo-Verteidiger; und um deutlich zu machen, dass die Ausbootung des Stars so notwendig wie die Nominierung eine Katastrophe war, genügt die Wahrnehmung von „Bullshit“ als solchem.

Tobias Hürter und Max Rauner wiesen in ihrem 2014 erschienenen Buch „Schluss mit dem Bullshit“ auf das um sich greifende Phänomen des Bullshittens hin:

Bullshitten heißt, Dinge nicht deshalb zu äußern, um jemanden über einen Sachverhalt zu informieren, über den ein Urteilen möglich ist, sondern um Eindrücke zu wecken, von denen es gleichgültig ist, ob sie wahr oder unwahr sind, und zu dem alleinigen Zweck, einen anderen je nach Opportunität zu bequatschen.

Bullshit ist die perfekte Äußerungsform in einer Welt, in der Diskurse über reale Probleme und Phänomene aufgelöst werden in ein Konglomerat prämissenfreier und damit beliebiger Narrative. Jeder kann sich in dieser Welt des beliebigen Gefasels seine eigene Welt einrichten. Stimmt sie mit dem Gefasel einiger anderer zufällig überein, trifft man sich zu mehreren (Pegida) oder wenigeren (Chemtrail-Kundgebungen) in Netzforen oder auf Marktplätzen und skandiert dort ein paar Parolen, auf die man sich ad hoc einigen konnte. Realitätsbezug: null, aber man hat eben eine eigene unter 80 Millionen Wahrheiten kundgetan.

Das Problem des Bullshittens, und auch dies haben Hürter/Rauner deutlich gemacht, ist dabei ernster, als es auf den ersten Blick erscheint; denn: die Beliebigkeit und die Gleichgültigkeit der Faselnden gegenüber realen Grundlagen ihres Faselns macht die Verständigung untereinander unmöglich.

Der Bullshitter untergräbt die Grundlagen der zivilisierten Kommunikation überhaupt… Würden wir dauernd Blödsinn reden, dann würde die Bedeutung der Wörter und Sätze, die wir sprechen erodieren.

(Hürter/Rauner aaO. S.21)

Wenn man beispielsweise im Ernst nicht einmal mehr eine Verständigung über Merkmale eines materiellen Verfassungsrechtsbegriffs oder selbst über die Auf- und Untergangszeiten des Mondes

Warum steht nirgendwo in der Bibel, daß der Mond auch tagsüber geschienen hat. Ich könnte genauso behaupten: Wir haben es so toll getrieben, daß nun der Mond sogar tagsüber scheint.

herbeiführen kann, kann man über keine Frage, die mit realen Verhältnissen irgendwie zusammenhängt, noch bullshitmiteinander reden. Allenfalls anschreien geht dann noch – willkommen in der Welt der 80 Millionen Wahrheiten. Das, ihr Lieben aus der Unterstützerfraktion von Mario Adorf bis Antje Vollmer, müsstet Ihr erst noch begreifen lernen. Die Unterminierung von Kommunikation erreicht ihren Gipfel, wenn tatsächlich 80 Millionen „Wahrheiten“ mit inkompatiblen Sprachen gegeneinander anschreien – oder ansingen, das kommt aufs Gleiche heraus. Man kann wohl 80 Millionen verschiedene Geschichten erzählen – aber nicht 80 Millionen verschiedene Geschichten mit Wahrheitsgehalt. Was dabei herauskäme, wäre dann nicht „Kultur“, verehrter Herr Grönemeyer, sondern deren kakophones Ende.

Und hier liegt der Grund, weshalb ein Sänger erst gar nicht hätte nominiert werden dürfen, der sich in jedem öffentlichen Auftritt, in dem er Farbe bekennen musste, als Bullshit auf zwei Beinen zu outen wusste. Die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands hätte gerade in ihrem Selbstverständnis als Kulturinstitution einen Künstler, der mehrfach unter Beweis stellte, dass er Sprach-, Gedanken- und damit Kulturverwirrung verbreitet, erst gar nicht als ihren Repräsentanten nominieren dürfen. Dass sie in der Lage war, eine aberwitzige Fehlentscheidung rasch zu korrigieren, hat ein ganz böses Zeichen für die Sprech- und Debattenkultur in unserem Land gerade noch verhindert. Das zu leugnen und dem Bullshit eine Gasse erstreiten zu wollen, das ist mehr als die Story um einen Sänger mit seltsamen Ansichten das eigentliche Kulturdesaster.

Vatikan und Nächstenliebe

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Der Vatikan hat die „Internationale Vereinigung der Exorzisten“ offiziell anerkannt. Warum das denn? Weil die Teufelsaustreibung „eine Form der Nächstenliebe für leidende Mitmenschen“ sei; so lässt sich der Papst zitieren. Zwanglos kann ergänzt werden: denn der wahrhaft Gläubige kann nicht psychisch erkranken; oder anders ausgedrückt: die psychische Störung ist eigentlich, im Kern, ein Abfall von Gott. Danke aber auch schön. Die Spätantike lässt grüßen, und wir können den Gedankengang noch etwas ausbauen:

Mitleid mit den Irrenden wäre Grausamkeit, Grausamkeit ihnen gegenüber ist wahres Mitleid
– Firmicus Maternus

Wie kommen die auf die Idee?

Die Anerkennung des Aie soll dazu führen, dass Exorzisten besser von der Kirche kontrolliert und Sensationsgier wie filmreife Exorzismen verhindert werden.

Ach so, klar. Sie müssen das Böse kontrollieren. Und zwar das Böse in der Kirche – nirgendwo sonst.

Der Laie nimmt an, dass die Teufelsaustreibung zu gar nichts gut ist, außer zur Selbstinszenierung der Priester. Aber es gibt den berühmten Fall der Marthe Brossier, Ende des 16. Jahrhunderts. Sie reiste durch die französische Provinz und ließ sich öffentlich exorzieren, zum Erstaunen des Publikums und zum Lebensunterhalt ihrer Familie. Schließlich gelangte sie vor den Bischof von Angers, der ein wenig argwöhnisch war. Er benutzte für die Austreibungen gewöhnliches Wasser statt Weihwasser und erzielte den gleichen Erfolg. Andere Placebos waren ebenso wirksam: ein in ein Tuch gehülltes „Kruzifix“ (ein Schlüssel), wie auch die Rezitation der Änäis statt des vorgeschriebenen liturgischen Textes. Man zog daraus (widerstrebend) den Schluss, dass Frau Brossier wohl doch nicht besessen sei. Dennoch bedurfte es diplomatischen Drucks, die Anerkennung der Causa Brossier durch den Vatikan zu verhindern. Heutzutage liegen andere Schlüsse näher: sie betreffen die Realität der Besessenheit schlechthin. Dem Autor dieser Zeilen ist nicht bekannt, ob weitere Versuche der „empirischen Absicherung“ von Exorzismen unternommen worden sind. Wäre doch interessant, nicht? Sollte der Vatikan da nicht Auskunft geben können? Haben die Journalisten der FAZ mal nachgefragt?

Der Papst selber ist zwar für Exorzismus, aber so etwas tut er nicht selbst, nein:

Bei einer Generalaudienz vor einigen Monaten hatte der Papst vor den Kameras der Welt einem behinderten Jungen beide Hände auf den Kopf gelegt und das Wort „Befreiung“ gemurmelt.

Auch das sei kein Exorzismus gewesen, sagt die FAZ unter Berufung auf den Vatikan. Nein, stimmt, das ist etwas anderes. Der Historiker der Stadt Rom, Ferdinand Gregorovius, notiert zu Zeiten, als der Papst an schweren Marienerscheinungen litt [1], in seinem Tagebuch:

Der Papst hat vor kurzem seine Infallibilität probieren wollen, wie die Franzosen ihre neuen Chassepots; auf einem Spaziergange hat er einem Paralytischen zugerufen: erhebe dich und wandle. Der arme Teufel versuchte es und stürzte zusammen. Dies hat den Vizegott sehr verstimmt. Die Anekdote wird bereits in Zeitungen besprochen. Ich glaube wirklich, daß er verrückt ist.

– Ferdinand Gregorovius, Tagebücher, 19. Juni 1870


  1. : Eine Formulierung von Arno Schmidt; zeitlos.

Zum Tode von Lindsey Nagel

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blumenthal

In diesem Monat wurde bekannt, dass eine weitere Protagonistin des abscheulichen AIDS-Leugner-Irrsinns „I won’t go quietly“ der Machwerk-Macherin Anne Blumenthal (Pseudonym Anna Sono) verstorben ist. Die Todesliste wird immer länger, aber an AIDS  dürfen diese Menschen ja nicht gestorben sein. Die Todesfälle zeigen einmal mehr, wie gefährlich verschwörungstheoretisches Denken sein kann. Nicht nur für die namentlich bekannten Opfer dieses Irrsinns. Auch die Botschaft, sich nicht behandeln zu lassen, ist tödlich. Lindsey starb nicht leise, sie starb an den opportunistischen Krankheiten einer HIV-Infektion, sie starb an AIDS. Aus dem Forum möchten wir einen (offenen) Brief an Anne Sono zu dem aktuellen Ereignis veröffentlichen, den das gesamte Psiram-Team genauso unterschreiben kann.

 

Liebe Anne,

ist es okay, wenn ich dich duze? Es kommt mir fast vor, als wenn ich dich kennen würde, denn ich verfolge deine … „Arbeit“ schon seit längerem. Seit 2011, um genau zu sein, seit der Veröffentlichung deines Films „I won’t go quietly“.

Du bist – nach Eigenauskunft auf der Internetseite, auf der Du dein Machw… ähm … deinen „Dokumentarfilm“ promotest – „Journalistin“. „Journalistin“ ist fast so gut wie „Publizistin“ oder „Autorin“. Ich hab‘ eine Digitalkamera, kann so ein bisschen HTML und weiß, wie man einen Blog anlegt. Ich bin auch „Journalistin“. Das geht sogar schneller als den Heilpraktiker zu machen und mit den Segnungen des Internets kann man ungleich mehr Schaden anrichten. Du hast eigentlich Betriebswirtschaftslehre studiert. Du kennst dich aus mit Effizienz.

Du hast aber keine Ahnung von sorgfältiger Recherche, von professioneller Ethik und Wahrhaftigkeit. Denn wenn Du das hättest, dann hättest Du den Arsch in der Hose, deine Propaganda-Seite zu aktualisieren und deinen Film aus dem Netz zu nehmen.

Im April 2011 starb Karri Stockley. An den opportunistischen Erkrankungen einer HIV-Infektion und damit an AIDS. Nicht an Stress, schlechter Ernährung, an der antiretroviralen Behandlung, die ihr Leben hätte retten können oder einer Verschwörung der Pharma-Industrie. An AIDS.

Im Juni 2015 starb Barbara Seebald. An den opportunistischen Erkrankungen einer HIV-Infektion. An AIDS. Nicht an Stress mit dem Jugendamt, nicht an „gebrochenem Herzen“ oder einer „Smegma-Allergie“. An AIDS.

In diesem Monat wurde bekannt, dass Lindsey Nagel ebenfalls verstorben ist. An den opportunistischen Erkrankungen einer HIV-Infektion. An AIDS.

Damit sind jetzt die drei Protagonistinnen der ursprünglichen Fassung deines Films gestorben. „Drei“ heißt hier: „alle drei“. Alle drei Frauen, die Du ursprünglich als Beleg dafür präsentiert hast, dass man nach der HIV-Diagnose nur ohne antiretrovirale Therapie überleben kann. Keine von ihnen ging leise, denn wenn sich das Immunsystem nicht mehr gegen eigentlich harmlose Bakterien, Pilze und Viren wehren kann, ist das kein weichgezeichnetes Sterben in Pastelltönen. Aber alle drei sind gegangen. Anne, wie kann das sein? Sollten die nicht gesund und munter sein? Ihre Kinder aufwachsen sehen? Ist das nicht die zentrale Aussage deines Machw… ähm, Entschuldigung … deines „Dokumentarfilms“?

Lindsey wurde nicht einmal 25 Jahre alt und starb weniger als zwei Jahre nach der Geburt ihres ersten und damit auch einzigen Kindes. Lindsey hätte Rico aufwachsen sehen können, wenn sie nicht vom ersten Tag an von ihren Adoptiv-Eltern gehirngewaschen worden wäre. Als kleines Kind aus Rumänien adoptiert, bekam Lindsey 1991 AZT. Um AZT in hohen Dosen als Monotherapie ranken sich die Horrorgeschichten, die die Szene der AIDS-Leugner, in der Du dich so heimisch fühlst, bis heute am Leben hält. Ja, die Nebenwirkungen von AZT in den hohen Dosen, in denen das Medikament zu Beginn der 1990er Jahre verabreicht wurde, sind heftig. Die lebenszeitverlängernde Wirkung der Therapie war noch nicht belegt, man konnte also nur hoffen, dass die Qualen den Ausbruch von AIDS wenigstens verzögern. Ich kann Cheryl Nagel verstehen, wenn sie glaubte, dass sie das ihrer kleinen Adoptivtochter nicht zumuten könnte.

Aber wir haben nicht mehr 1991 und jetzt kann ich Cheryl Nagel nicht mehr verstehen. Ich kann dich nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen, wie ihr den medizinischen Fortschritt von zwanzig Jahre ausblenden könnt, während die wissenschaftliche Medizin in dieser Zeit das Leben von tausenden, wenn nicht gar Millionen Menschen gerettet hat. Ich kann nicht verstehen, wie ihr euch immer abstrusere Erklärungen dafür aus den Finger saugt, warum junge Frauen an „Stress“ und einem „ungesunden Lebensstil“ sterben und warum dieses Sterben rein zufällig dem vollen Krankheitsbild von AIDS entspricht, so wie es in medizinischen Literatur beschrieben wird, aber trotzdem kein AIDS sein soll.

AIDS ist immer noch nicht heilbar, aber man kann den Ausbruch der Krankheit schon sehr lange hinauszögern. Die Behandlung greift tief ins Leben ein und belastet durch Nebenwirkungen, aber heute kann eine zwanzigjährige Frau wie Lindsey bei geringer Viruslast mit weiteren 50 Jahren rechnen (Die Daten, auf die wir uns beziehen, sind auch schon wieder fast ein Jahrzehnt alt!). Sie hätte nicht mit 24 sterben müssen.

Sofern sie rechtzeitig eine Therapie macht. Dank deines Films wird es weiter Frauen wie Karri, Barbara und Lindsey geben, die ein ganz normales Leben mit Familie, Freunden und Beruf haben könnten. Stattdessen werden sie wegen einer CMV-Retinitis erblinden, wie Karri. Sie werden wegen einer PC-Pneumonie ersticken, wie wahrscheinlich Barbara. Sie werden wie Lindsey am Ende ihres Lebens entsetzliche Schmerzen haben wegen eines Mykobakteriums. Ein Bakterium, das viele von uns täglich ohne Probleme zu uns nehmen und überleben, egal ob gestresst oder nicht, weil es in Trinkwasser vorkommt.

Wie wäre es mit einer Umschulung? Irgendwas Handwerkliches, vielleicht? Ohne Internetzugang, vorzugsweise. Nichts im Gesundheitsbereich. Lagerarbeiter werden immer gebraucht.

Verschwinde aus dem Netz. Mit Krawall – wenn du glaubst, Krach machen zu müssen. Aber verschwinde!

Das Dossier: Und es gibt sie doch – Chemtrails…

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Es war Martin Bäumer (CDU), Mitglied des niedersächsischen Landtags, der den Stein ins Rollen und die Psiram-Rechercheabteilung in Bewegung versetzte. Der Volksvertreter brachte Mitte September eine Anfrage an seine Landesregierung ein (Niedersächsischer Landtag, Drucksache 17/4171). Herr Bäumer begehrte darin Auskunft über folgende Fragen:
martin_baeumer1. Was hält die Landesregierung von der Theorie, dass über Deutschland ein „Geo-Engineering“ stattfinde?

2. Liegen der Landesregierung Messwerte für die typische Menge von Aluminium, Barium und Strontium in der Luft und im Boden vor?

3. Falls nein, ist der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz personell und technisch in der Lage, diese Werte zu erheben?

4. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, die oben genannten Stoffe messtechnisch zu erheben, um die Vorwürfe der Bürgerinitiative „Sauberer Himmel“ zu entkräften?

5. Sind der Landesregierung erhöhte Barium- und Aluminiumwerte im Blut von Patienten bekannt?

6. Auf welchem Wege können Aluminium, Barium und Strontium in die Umwelt gelangen, oder kommen sie dort sogar natürlich vor?

 

Zuerst haben wir alle einmal, wir geben es zu, herzlich darüber gelacht. Dann aber, bei nochmaligen Lesen, fiel uns die Frage 6 auf, und wir wurden nachdenklich. Die Frage nochmals im Wortlaut:

 

Auf welchem Wege können Aluminium, Barium und Strontium in die Umwelt gelangen, oder kommen sie dort sogar natürlich vor? 

 

An dieser Stelle bekam die Sache eine Wendung, mit der nicht zu rechnen war und mit der der nachdenkliche Parlamentarier aus Georgsmarienhütte vielleicht selbst nicht rechnete, denn plötzlich wurde ein Bild schlüssig, das wir so vorher nicht erkannt hatten. Die Stichworte Aluminium, Barium und Strontium ließen den Groschen fallen.

Um es kurz zu machen: es ist noch viel, viel schlimmer als befürchtet. Jeder hat sie doch schon einmal gesehen, diese seltsamen Muster am Himmel – jetzt wissen wir: um diese zu erzeugen, verwendet man nach unseren Recherchen so ziemlich alles, was die Haare zu Berge stehen lässt und unser aller Gesundheit ruinieren kann.

  • Blei(II)-nitrat, ein Bleisalz der Salpetersäure – giftig, fruchtschädigend und kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen
  • Orthoborsäure (Trihydrogenborat), reproduktionstoxisch
  • Hexachlorbenzol (HCB), bildet Anreicherungen im Fettgewebe, Schäden an Leber und Fortpflanzungsorganen, Porphyrie mit Photosensibilität und Porphyrinurie. Im Tierversuch wurde bei Hamstern und Mäusen das Auftreten von Tumoren festgestellt.
  • Kaliumchlorat, ein starkes Blut- und Nierengift
  • Kaliumdichromat, sehr giftig, brandfördernd, umweltgefährlich, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend und krebserzeugend
  • Kupfer(I)-chlorid, gesundheitsschädlich und umweltgefährlich
  • Kupfer(I)-oxid, gesundheitsschädlich und umweltgefährlich
  • Kupfer(II)-oxid gesundheitsschädlich und umweltgefährlich
  • Natriumchlorat (früher auch chlorsaures Natrium genannt), gesundheitsschädlich und umweltgefährlich
  • Strontium- und Bariumnitrat, gesundheitsschädlich und schwach wassergefährdend

Allgemein fündig wird man bei Strontium- Kupfer- und Bariumsalzen, Arsen, Blei, Selen, Cäsium, Rubidium (wirkt im zentralen Nervensystem und beeinflusst dort die Konzentration von Neurotransmittern!), Magnesium, Aluminium, Titan und Zirconium. Hinzu kommt das geradezu monströs giftige Schwermetall Thallium. Selbst Spuren von Radium(!) sind nachgewiesen, vermutlich als Abbauprodukt von Strontium und Barium.

Auch quantitativ lassen sich die Belastungsspitzen präzise beschreiben, und da reden wir nicht von irgendwelchen vernachlässigbaren Größen – es wird geklotzt, nicht gekleckert!

In Spitzenzeiten mit stark gehäuften Überflügen konnten Anstiege der Hexachlorbenzol-Konzentrationen auf mehr als das 15-fache gemessen werden

 

Quelle: Eugen Anwander – Institut für Umwelt und Lebensmittelsicherheit des Landes Vorarlberg

 

Auch die Feinstaubkonzentrationen stiegen in entsprechenden Belastungsspitzen örtlich (gemessen in Bonn) um mehr als das Sechstausendfache der Ausgangswerte. Was sich in diesen Stäuben befindet, haben wir ja gesehen…

Lieber Herr Bäumer, ob Sie wohl ahnten, was für ein Fass Sie da angezapft haben?

Das Überraschendste an unserer Recherche war allerdings die Unverfrorenheit, die die verantwortlichen Stellen im Umgang mit den Informationen zu diesem Tatbestand an den Tag legten:

Sie sind frei verfügbar, jeder kann sie nachlesen – aber niemand sagt den Menschen, wo! Alle vertrauen still und heimlich darauf, es werde schon niemand lesen! 

Diese traurige Wahrheit® zu ermitteln, blieb dem Psiram-Team vorbehalten, das es sich zur Ehre anrechnen kann, jetzt auch zur Speerspitze der Aufklärung (© Prof. Dr. H. Walach) zu gehören! Und wir legen es der interessierten Öffentlichkeit hiermit dar: alle Informationen finden Sie genau hier!
Schluss mit dem Versteckspiel! Jetzt kann niemand mehr sagen, er/sie/es habe nichts gewusst!

Chemtrails...

Chemtrails…

... und die Folgen

… und die Folgen

 


Vorsicht: „normales Bier enthält mehr Alkohol als alkoholfreies Bier“ oder: Wie die Grünen einen Lebensmittelskandal brauen wollen

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Ein neuer Lebensmittelskandal erblickt das Licht der Welt: eine Studie will festgestellt haben, dass konventionell hergestellte Lebensmittel bis zu 3000 mal höher mit Pestiziden belastet sein sollen als Produkte aus dem Ökolandbau. Darüber hinaus seien Produkte aus der konventionellen Landwirtschaft gar nicht geeignet, um als Säuglingsnahrung verkauft werden zu dürfen. Ein genauerer Blick auf die Details zeigt, dass der Skandal keiner ist und es sich bei der ganzen Aktion um eine mehr oder weniger geschickte Kampagne handelt.

Ein Experte für Kampagnen

Die Studie wurde von einem sich selbst als Pestizidexperten bezeichnenden Herrn namens Lars Neumeister im Auftrag der Grünen erstellt. Lars Neumeister beschreibt sich selbst in seiner Vita als Aktivist gegen die konventionelle Landwirtschaft, war oder ist Mitglied beim Pesticide Action Network (PAN), einer Organisation, die gegen eine moderne Landwirtschaft unter Verwendung von synthetischen Pflanzenschutzmitteln (PSM) und Gentechnik agiert. Da können sich die Grünen schon mal darauf verlassen, dass die Studie in ihrem Sinne durchgeführt wird und man sich erwartungsgemäß empört zeigen kann.

Zur Studie selbst: der „Pestizidexperte“ hat lediglich bereits verfügbare (und natürlich auch schon anderweitig ausgewertete) Daten der staatlichen Lebensmittel-Untersuchungsämter, die routinemäßig Lebensmittel auf ihre PSM-Rückstände (PSM = Pflanzenschutzmittel) hin untersuchen, ausgewertet und nach einer merkwürdigen Logik bewertet. Sehen wir uns einige Aussagen einmal genauer an.

Prinzipiell: dass man in konventionell erzeugtem Obst und Gemüse PSM-Rückstände findet, soll an sich ein Skandal sein? Moment mal, schließlich sind PSM beim Anbau erlaubt. Auch ist es erlaubt, dass die Ernteprodukte mit einem gewissen Rückstand an PSM vermarktet werden. Dies anzuprangern ist so, als wenn man alkoholfreie und konventionell gebraute Biere miteinander vergleicht und sich dann empört zeigt, dass konventionelles Bier wesentlich mehr Alkohol enthält. Es sollte vielmehr verwundern, dass man in ökologisch erzeugtem Obst- und Gemüse überhaupt synthetische PSM findet, sind diese im ökologischen Landbau doch verboten. Lediglich einige natürlich vorkommende Stoffe sind erlaubt, darunter Kupferpräparate, die aber bei der Auswertung ausgeschlossen wurden.

Die eigentliche Frage müsste lauten: sind die in konventionellen Lebensmittel gefundenen Werte an PSM-Rückständen ein gesundheitliches Problem für den Verbraucher und sind ökologisch erzeugte Lebensmittel gesünder. Genau diese Fragen werden aber nicht thematisiert; es wird überhaupt nicht auf mögliche gesundheitliche Probleme eingegangen. So als sei es selbstverständlich, dass PSM-Rückstände an sich eine gesundheitliche Gefahr darstellen.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Problematisch bzw. geschickt ist auch die Datenauswahl. Es wurde zwar insgesamt ein Datensatz von ca. 58.000 Proben gewählt, aber ausgewertet wurden beinahe ausschließlich Obst- und Gemüseproben, einzig Honig wurde als tierisches Lebensmittel berücksichtigt. Auch wurden keine verarbeiteten Lebensmittel verglichen, obwohl sie mit 20% einen bedeutenden Anteil an der Probenmenge ausmachen (praktischerweise hat man damit auch Säuglingsnahrung aus dem Vergleich genommen). Es wird begründet, man musste sich auf diese Auswahl begrenzen, da nur diese Lebensmittel für einen Vergleich geeignet seien. Hätte man aber auch tierische Lebensmittel verglichen, wäre das Ergebnis weit weniger dramatisch ausgefallen. Gleiches gilt für verarbeitete Lebensmittel, insbesondere für Säuglingsnahrung. Von den vom BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) übermittelten Daten wurden letztendlich nur 58% der Proben für einen Vergleich verwendet. Wie genau ausgewählt wurde und warum, wird nicht ganz klar.

Es wurden für beide Kategorien (öko/konventionell) die Verdachts-, Verfolgs- und Beschwerdeproben aussortiert. Das sind Proben, die man nicht rein zufällig gezogen hat, sondern mit einem begründeten Verdacht auf eventuelle Überschreitungen. Das mag auf den ersten Blick sinnvoll sein, da damit scheinbar Ausreißer, die weit außerhalb der mittleren Werte liegen und damit nicht repräsentativ sind, ausgeschlossen werden. Das ist aber aus zweierlei Gründen problematisch. Zum einen verfälscht das den Vergleich, da gerade Verdachtsfälle hohe Gehalte aufweisen können, die dann auch im Essen landen. Dies gilt auch für die ökologisch erzeugten Lebensmittel. Leider fehlt in der Arbeit eine Auswertung dieser Daten. Man mag den Verdacht bekommen, dass gerade die Verdachtsfälle aus dem Ökolandbau schlecht für das gewünschte Ergebnis waren und deshalb flogen.

Ein großes Problem der Auswertung ist generell ihre Verallgemeinerbarkeit. Wer Daten aus einer Gesamtheit, die ohnehin nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit (aller verkauften Lebensmittel in Deutschland) sind, noch weiter aussortiert, macht sich weiter verdächtig, nur diejenigen Daten zu verwenden, die in eine bestimmte Richtung zeigen sollen. So schreibt das BVL (PDF) (von dem die Daten stammen) in einer ähnlichen Auswertung aus dem Jahr 2014:

Bei der Betrachtung der folgenden Auswertungen muss berücksichtigt werden, dass sie größtenteils auf risikoorientiert gezogenen Proben basieren. D. h., Lebensmittel, die in der Vergangenheit auffällig waren, werden häufiger und mit höheren Probenzahlen untersucht als solche, bei denen man aus Erfahrung keine erhöhte Rückstandsbelastung erwartet. Aus diesem Grund erlauben die in diesem Bericht dargestellten Ergebnisse keinen Rückschluss auf die Belastung der Gesamtheit der auf dem Markt befindlichen Lebensmittel.

Repräsentativ ist nur ein kleiner Teil der Daten, nämlich solche, die explizit für das Monitoring gewonnen wurden. Dabei werden Proben zufällig (nicht selektiv) entsprechend des Angebotes und der Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung genommen und untersucht. Solche Daten werden europaweit in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU gewonnen und zentral durch die Efsa (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) ausgewertet.

Die armen Kleinen

Um die Gehalte irgendwie einordnen zu können, verwendet der Pestizidexperte einen merkwürdigen Kniff: er misst die Rückstandgehalte an den Vorgaben für Säuglingsernährung. Säuglingsnahrung wird per Verordnung zu den diätetischen Lebensmitteln gezählt, hat also sehr hohe Anforderungen, was Inhaltsstoffe und Qualität angeht. Bei diesen Lebensmitteln darf der Gehalt einzelner PSM-Rückstände nicht mehr als 0,01 mg/kg betragen. Dieser sogenannte Orientierungswert hat lediglich vorsorgenden Charakter, da solch niedrige Werte im Allgemeinen keinerlei gesundheitliche Bedrohung (auch nicht für Säuglinge) darstellen. Dies hat zweierlei Hintergrund. Zum einen haben Säuglinge einen vergleichsweise hohen Nahrungsbedarf in Bezug zum Gewicht, würden also – im Vergleich zum Erwachsenen – überproportional viele Schadstoffe aus der Nahrung aufnehmen. Da Säuglinge noch nicht voll über alle Entgiftungssysteme verfügen, sind sie zudem besonders empfindlich gegenüber Schadstoffen, zu denen eben nicht nur PSM zählen.

Neben den PSM darf Säuglingsernährung auch keine erhöhten Spuren an Schwermetallen (wie Kupfer), Schimmelpilzgiften (Mykotoxine) oder weiteren schädlichen Stoffen enthalten. Wenn der Pestizidexperte schreibt, man könne 95% der Produkte aus dem ökologischen Landbau als Säuglingsnahrung verkaufen, hat er scheinbar die Verordnung über diätetische Lebensmittel nicht gelesen. Säuglingsnahrung darf bestimmte Stoffe nicht enthalten. Dies haben die Hersteller selbst nachzuweisen. Interessanterweise finden sich in Säuglingsnahrung aus konventioneller Landwirtschaft nicht notwendigerweise mehr PSM als aus ökologischer Landwirtschaft. So fand das CVUA (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt) Stuttgart in einer Untersuchung von 2011 nur in einem Getreidebrei aus ökologischer Landwirtschaft PSM-Rückstände, Produkte aus konventioneller Landwirtschaft waren alle PSM-rückstandsfrei. Das heißt nichts anderes, als dass Lebensmittel, nur weil sie aus der ökologischen Landwirtschaft stammen, noch lange nicht ohne Weiteres als Säuglingsnahrung geeignet sind. Insbesondere Mykotoxine, Spuren von Giftpflanzen und Stoffe, die bei der Zubereitung und der Lagerung entstehen können, müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Der Grenzwert von 0,01 mg/kg für Säuglingsnahrung hat einen praktischen Hintergrund. Er beschreibt die (gesetzlich) geforderte Bestimmungsgrenze einzelner PSM, deren Analytik genau vorgeschrieben ist (PDF). Es ist kein toxikologischer Schwellenwert, ab dem überhaupt gesundheitliche Effekte zu erwarten wären; es ist, wie gesagt, ein reiner Orientierungswert. Man muss sich auch einmal vergegenwärtigen, was dieser Wert bedeutet. Das ist ein Mengenverhältnis von 1 zu 100 Mio. Prinzipiell könnte man auch eine noch niedrigere Bestimmungsgrenze fordern, aber angesichts der mehrere Hundert Einzelsubstanzen umfassenden Liste an nachzuweisenden PSM muss man auch an die Praktikabilität (und Zuverlässigkeit) solcher Untersuchungen denken.

Alles ist relativ

So wundert es eigentlich auch nicht, wenn festgestellt wird, dass „bis zu 3000-fach höhere Werte an Pestiziden“ gefunden wurden. Das bedeutet lediglich, dass man bei einem einzigen konventionell erzeugten Produkt einen PSM-Gesamtgehalt von ca. 0,3 mg/kg und im entsprechenden Ökoprodukt einen sehr geringen Gehalt von ca. 0,0001 mg/kg gefunden hat. Diesen mittleren (relativen) Spitzenwert fand man nur bei einem einzigen Produkt: der Kiwi. Auch in Zitrusfrüchten finden sich vergleichsweise hohe Werte an PSM-Rückständen. Alles Produkte, die z.T. aus dem EU-Ausland kommen und weite Entfernungen hinter sich haben. Solche Funde sind aber nicht wirklich überraschend und zeigen eher die Extreme als den typischen Fall, zumal hier mit sehr niedrigen Bestimmungsgrenzen gearbeitet wurde. Solche Relationen erlauben keine eindeutigen Schlussfolgerungen und schon gar keine Bewertung.

Erinnert an die Homöopathie, zeigt aber nur, um welchen Größenordnungsbereich es hier geht. 0,01 mg/kg entsprechen 10 ppb. Ein ppb entspricht etwa einen Tropfen in einem Swimming-Pool.

Erinnert an die Homöopathie, zeigt aber nur, um welchen Größenordnungen es hier geht. 0,01 mg/kg entsprechen 10 ppb (parts per billion). Ein ppb entspricht etwa einen Tropfen in einem Swimming-Pool.

Wie wenig sinnvoll der Bezug auf Säuglingsnahrung ist und wie wenig der Experte von Toxikologie versteht, wird noch an einem anderen Aspekt deutlich: nur die Mengen an gefundenen PSM-Rückständen aufzusummieren und dies als Maß für eine Belastung heranzuziehen, berücksichtigt nicht ansatzweise eine mögliche Gefahr, die von solchen Werten ausgeht. Das ist auch der zentrale Kritikpunkt: die Menge an gefundenen PSM-Rückständen aus Produkten konventioneller Landwirtschaft in Relation zu denen aus der ökologischen Landwirtschaft als Maß hat überhaupt keine weitere Aussagekraft. Zudem wird hier nur der Summenparameter Gesamtmenge an PSM berücksichtigt, ohne weiter anhand der gefundenen PSM zu differenzieren. Es gibt toxikologisch harmlose und weniger harmlose PSM, deshalb gilt für jedes einzelne eine eigene erlaubte Höchstgrenze.

Wenn im Bericht steht:

Gegenwärtig dienen Rückstandshöchstgehalte schlichtweg der rechtlichen Absicherung der pestizidabhängigen Landwirtschaft, ihrer Zulieferer und des Lebensmittelhandels. Sie sollten aber auf der Pflanzenschutzmethode beruhen, die die geringsten Rückstände verursacht.

dann soll lediglich genau diese Tatsache überdeckt werden. Natürlich sind Rückstandshöchstgehalte keine willkürlich festgelegten Werte. Sie beruhen auf toxikologischen Bewertungen einzelner Wirkstoffe und sind aus Vorsorgegründen möglichst gering gehalten. Das BVL dazu:

Diese Rückstandshöchstmengen unterliegen dem so genannten ALARA-Prinzip (ALARA = As Low As Reasonably Achievable), d. h. Höchstmengen werden nur so hoch festgesetzt, wie dies auf Grund der Anwendung notwendig ist. Damit geht von einer Höchstmengenüberschreitung, wenn sie denn vorkommt, nicht zwangsläufig eine Gefährdung der Gesundheit des Verbrauchers aus.

Es macht Sinn, sich diese Höchstmengenüberschreitungen anzusehen, um eine mögliche Belastung der Bevölkerung durch PSM abzuschätzen. Genau dies wird schon seit Jahren regelmäßig auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene gemacht. Die Ergebnisse sind aussagekräftiger, sinnvoller und valider als die „Studie“ der Grünen (man hätte sich die eigene Studie auch sparen können; dass Ökolebensmittel (deutlich) geringer mit PSM belastet sind als konventionelle, wird auch hier explizit ausgeführt.)

So kommt eine Auswertung der Efsa auf europäischer Ebene zu folgender Einschätzung:

Mehr als 97% aller Proben, die im Rahmen des jüngsten europaweiten Überwachungsprogramms zu Pestiziden in Lebensmitteln untersucht wurden, enthalten Rückstandsmengen unterhalb der gesetzlichen Höchstwerte – mit über 54% der Proben ohne jegliche nachweisbare Spuren der chemischen Stoffe. […]

Die nationalen Programme ergaben, dass 97,1% der analysierten Lebensmittelproben Pestizidrückstände unterhalb der in der EU zulässigen Grenzwerte, den sogenannten Rückstandshöchstgehalten (Maximum Residue Levels – MRL), enthielten. Bio-Lebensmittel zeigten niedrigere MRL-Überschreitungsquoten als konventionell erzeugte Produkte (0,8% vs.3,1%). Bei Lebensmitteln, die aus Drittländern in die EU, Norwegen und Island eingeführt wurden, lag die Nichteinhaltungsquote fünfmal höher als bei Lebensmitteln, die aus der EU, Norwegen oder Island stammten (7,5% vs. 1,4%).

Auch hier wurden konventionelle und ökologisch hergestellte Lebensmittel verglichen. Über 54% der Lebensmittel (die überwiegend konventionell angebaut wurden) wiesen überhaupt keine nachweisbaren PSM-Rückstände auf, in lediglich 3% der Proben zeigte sich eine Überschreitung der gesetzlichen Höchstmengen. Allein diese 3% könnten problematisch sein; allerdings liegen die Überschreitungen noch in einem Bereich, der weit von einer gesundheitlichen Belastung entfernt ist (die Höchstmengen haben sehr weite Abstände zu toxikologisch relevanten Konzentrationen). Ein ähnliches Ergebnis zeigen auch die Berichte auf deutscher Ebene, die jährlich vom BVL herausgegeben werden. Auch auf Länderebene sehen die Ergebnisse ähnlich aus. Diese Berichte lesen sich weit weniger apokalyptisch und belegen recht gut, dass PSM in der Landwirtschaft keine gesundheitliche Gefahr für den Verbraucher darstellen.

Unwissen als Chance

Ein ganz anderes Bild soll die Studie der Grünen zeichnen. Man scheint hier für eigene Zwecke zu missbrauchen, dass 70% der Bevölkerung davon ausgeht, dass PSM-Rückstände in Lebensmitteln gar nicht erlaubt seien (PDF). Dass es eine Rückstandhöchstmengen-Verordnung gibt, die darauf abzielt, möglichst geringe Mengen (weit unterhalb toxikologisch relevanter Mengen) zu bewirken, wird konsequent verschwiegen. Die Restgehalte, die nach der Ernte in den landwirtschaftlichen Produkten verbleiben dürfen, sind für jedes einzelne PSM anhand toxikologischer Studien festgelegt und als Vorsorgewerte weit unterhalb möglicher gesundheitlicher Wirkungen. Es wird stetig daran gearbeitet, PSM-Rückstände zu minimieren und möglichst toxikologisch unbedenkliche Stoffe einzusetzen.

Es gibt gute Gründe, auch weiterhin PSM in der landwirtschaftlichen Produktion einzusetzen. Man tut dies nicht leichtfertig und ohne Sorgfalt, da Pflanzenschutz auch ein Kostenfaktor ist. Neben einer Sicherung der Erträge spielen auch andere Gründe eine Rolle. Dazu eine Bemerkung des BfR (PDF):

Pflanzenschutzmittel kommen weltweit zum Einsatz, um Kulturpflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen. Sie dienen dazu, den Ertrag in der Landwirtschaft zu sichern, aber auch zur Gewährleistung einer hohen Lebensmittelqualität. Hierzu gehört auch der Schutz der Verbraucher vor Schimmelpilzgiften.

Gerade der letzt Punkt macht deutlich, dass mögliche gesundheitliche Belastungen in Lebensmitteln nicht nur anhand von PSM-Rückständen beurteilt werden können. Nicht ohne Grund finden sich häufig Fungizide (Mittel gegen Pilzbefall) unter den Rückständen. Sie helfen, die Bildung von Mykotoxinen, die eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung darstellen, beim Anbau und insbesondere der Lagerung (und dem Transport) zu verhindern. Die eingesetzten Fungizide sind dabei toxikologisch weit weniger problematisch als die Mykotoxine. Um die Rückstandsgehalte an PSM in der Nahrung richtig einordnen zu können, muss man sich bewusst machen, dass diese überhaupt nur einen sehr geringen Anteil an Pestiziden in der Nahrung ausmachen. Über 99,99% aller Pestizide in der Nahrung sind nämlich natürlichen Ursprungs.

Hexenjagd in Den Haag – Das Monsanto-Tribunal

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Dem folgenden Beitrag eines Foristen merkt man an, was er vom „Monsanto-Tribunal“ hält. Wir schließen uns an.

Man kennt es ja aus alten Horrorfilmen. Das Dorfvolk sammelt sich unter Führung von „Ehrenwerten Herren“, um mit Fackeln und Mistforken zum Unterschlupf des vermeintlichen Monsters/Zauberers zu ziehen und diesem den Garaus zu machen. Ob das Opfer des Mobs schuldig war, ob der Außenseiter eigentlich nur Gutes im Sinne hatte oder einfach nur in Ruhe seinen Geschäften nachgehen wollte, ist einerlei. Einen ordentlichen Prozess gibt es nicht, der Schuldige ist ja schuldig, weil er schuldig ist. Die Welt ist wieder in Ordnung, wenn das Übel vom Antlitz der Erde getilgt wurde; sei es zur Wiederherstellung der gottgewollten Ordnung oder sei es, weil einfach nicht sein kann, was nicht darf. Die Aufpeitscher gerieren sich dabei als „Richter des einzig wahren Guten“. Sie wissen genau, wie die Welt auszusehen hat, in der die Menschen leben sollen. Eigennützige Motive oder schlichte Ideologie, bis hin zu quasi-religiösen Wahn und zu Vernichtungsphantasien, kommen bei ihnen nicht vor.

Zurück in die Gegenwart. So etwas gibt es heute, im Zeitalter der Aufklärung und des freien Zugangs zu Unmengen von Wissen, natürlich nicht mehr, oder? Mitnichten. Auftritt Monsanto-Tribunal. Natürlich ist heute nicht mehr die Hexe mit dem bösen Blick oder der eigenartige Sonderling das Ziel, sondern zum Beispiel der Biotechnikkonzern Monsanto, und das Hexengebräu ist heute die Erfindung Glyphosat (dessen Patent übrigens schon seit einigen Jahren abgelaufen ist und damit von jedem, der die Fähigkeiten dazu hat, produziert werden kann). Somit kann man ganz praktisch noch die biblische Geschichte von David und Goliath ins Spiel bringen. Auf der einen Seite der global agierende Großkonzern, der für seinen Profit wissentlich über Leichen geht, auf der anderen Seite ein Trüppchen Aufrechter, die im Besitz der alleinigen, selig machenden Wahrheit ist, gerüstet mit Akasha-Chronik und Bioobst, tapfer die Menschheit gegen das Monstrum vertritt (ohne dass die Menschheit sie darum gebeten hätte).

Die „Würdigen Herrschaften“ im Hier und Jetzt sind:

  • Vandana Shiva (indische „Atomphysikerin“, bekannt für ihre „Kreativen Wahrheiten“ über Biotechnologie, mit der wir uns auch schon auseinandergesetzt haben.)
  • Marie-Monique Robin (amerikanophobe Investigativjournalistin und Filmemacherin), die mit ihren Werken erheblich zum Verschwörungs-Mythos um Monsanto beigetragen hat.
  • Gilles-Éric Séralini (bekannt für seine grottenschlechten Rattenexperimente)
  • Corinne Lepage (eine Anwältin mit Spezialisierung auf Umweltrecht)
  • Hans Rudolf Herren (Schweizer Entomologe und Umweltaktivist)
  • Olivier De Schutter (Mitarbeiter der UN und ehemaliger Sonderberichterstatter)
  • Arnaud Apoteker (französischer Aktivist für Greenpeace und für die Grünen im Europaparlament)
  • Valerie Cabanes (Anwältin mit Spezialgebiet Menschenrechte)
  • Ronnie Cummins (Vorsitzender der Organic Consumers Association)
  • André Leu (pestizidkritischer Buchautor und Präsident der IFOAM – Organics International).

Tribunal

Unterstützt werden diese Herrschaften von einem bunten Grüppchen von NGOs und Lobbyverbänden. Man sieht: von Eigennutz und Ideologie ist auch hier nichts zu finden. Dass sich im erweiterten Fanclub auch Dorothea „Doro“ Schreier, die Betreiberin der nach eigener Aussage „Meistausgezeichneten Deutschen Wissenschaftsseite“, der „Netzfrauen“ findet, bestärkt diesen Eindruck nur. Dies nur nebenbei erwähnt, weil wir die subtile und unaufgeregte Art der Doro Schreier so sehr schätzen.

Da das heute mit der Fackel- und Mistgabelprozession leider kaum mehr möglich ist und auch ein ganzer Konzern so schlecht auf den Scheiterhaufen passt, gibt man sich gezwungenermaßen fortschrittlich und führt ein Tribunal gegen das Monster. Ja, richtig gelesen: Monsanto wird sich in Den Haag verantworten müssen – der Stadt, in der der Internationale Strafgerichtshof seinen Sitz hat. In einem richtigen Prozess, mit „richtigen Richtern“, einer Beweisaufnahme, dass Monsanto ungeheure Verbrechen gegen Menschheit und Natur begangen hat (einen sogenannten Ökozid). Und natürlich ist das ganze Tribunal völlig unbefangen, wie ja bereits erwähnt. Die Finanzierung muss zwar noch geklärt werden, bezahlen muss das gesamte Verfahren ja die Menschheit, die so tapfer von diesem Grüppchen aufrechter Recken vertreten wird.

Das Tribunal ist rechtlich gesehen wertlos, den Straftatbestand gibt es nicht, der Prozess weder vom Internationalen Strafgerichtshof noch von der UN legitimiert, einzig durch den Ort versucht man etwas Legitimation zu erhaschen. Das Ganze findet rein zufällig im Oktober 2016 während des Weltklimagipfels in genau der Stadt statt, in der auch der Internationale Strafgerichtshof seinen Sitz hat – irgendwie muss man ja Aufmerksamkeit erhaschen. Auch dass der Angeklagte natürlich nicht diesem Tribunal beiwohnen und am Ende zweifelsohne so oder so seiner abscheulichen Verbrechen für schuldig befunden und (medial) hingerichtet werden wird, ist jetzt ja nicht so bedeutend. Wichtig ist doch: MONSANTO WIRD VOR EINEM INTERNATIONALEN TRIBUNAL IN DEN HAAG VERKLAGT, FÜR VERBRECHEN GEGEN DIE UMWELT. Sogar auf Basis einer UN-RICHTLINIE. Und das ganze Internet berichtet darüber, nur die dummen deutschen Medien nicht, denn die sind ja von der Regierung beherrscht und beide werden von Monsanto bezahlt.

Was hier eher satirisch geschrieben steht, entspricht leider der Realität. Hexenprozesse gibt es auch heute noch. Das Monsanto-Tribunal ist ein solcher Prozess, ein privates Gericht einer kleinen Gruppe von ideologisch motivierten Feinden von Biotechnologie, industrieller Landwirtschaft (die beide den Wohlstand in unserer westlichen Welt sichern) und Pestiziden. Sie suhlen sich in diesem Wohlstand, der es ihnen ermöglicht, ihre Lebensmittel ineffizient (ökologisch) und nach Rudolf Steiners merkwürdigen esoterischen Lehren (biodynamisch) anzubauen. Sie kennen den Hunger nicht, der in der Dritten Welt wütet, die Krankheiten, die durch Vitaminmangel entstehen. Aber auf gar keinen Fall dürfen diese Probleme durch moderne Biotechnologie wie etwa Gentechnik gelöst werden, das würde ja gegen die natürliche Ordnung verstoßen (oder zumindest das, was diese Ideologen als solche definieren).

Oder haben diese Leute nicht vielmehr Angst davor, dass ihre (sehr einträgliche) Lebensgrundlage, die Panikmache, sich in Wohlgefallen auflöst, wenn die von ihnen ungefragt vertretenen Menschen bemerken, was eigentlich die Ziele dieser „Retter“ und die Grundlagen der Biotechnologie sind. Daher ist, zum Erhalt des Status Quo, wirklich alles erlaubt. Lügen, grottenschlechte oder gefälschte Studien und eben auch private Gerichte. Denn vor einem richtigen Gericht würde man mit derlei haltlosen Anschuldigungen gar nicht erst zu einem Prozess zugelassen werden. Darum baut man lieber ein irrwitziges Drohszenario auf. Macht Monsanto – Marktführer, aber bei weitem kein Monopolist im Bereich GVO-Saatgut und anderer Biotechnologie – zum Buhmann für eine gesamte Branche. Man erklärt ein, wenn richtig angewendet, harmloses Herbizid, das eben dieser Konzern erfunden hat und das das kanzerogene Potenzial von Matetee und rotem Fleisch besitzt, zum modernen Aqua Tofana.

Gewiss, die Biotechnologie und Pestizide sind mit Risiken verbunden, und das Geschäftsgebaren von Großkonzernen in jeder Branche durchaus fragwürdig. Aber von diesen selbsternannten Weltenrettern sollte man lieber keine Alternative erwarten, wenn es darum geht, die steigende Weltbevölkerung zu ernähren, ohne den Planeten völlig zu verwüsten. Denn das ist nicht ihr Ziel. Das sind ausschließlich Panikmache und das Füllen des eigenen Portemonnaies.

Die Schule der Wahrheit

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Bereits in der Schule werden unsere Kinder indoktriniert, mit Chemikalien oder Nanopartikeln vergiftet und durch systemkonformes, dogmatisches Unterrichtsmaterial auf ein Leben als Sklave in einer Welt voller Illuminaten und Reptiloiden abgerichtet. Nur so können die allmächtigen Eliten sicherstellen, dass die heutigen Schüler später als Erwachsene alles glauben, was in der Lügenpresse steht und niemals zum Himmel schauen, um die flächendeckende Verseuchung mit Chemtrails zu entdecken.

Doch nun gibt es endlich eine Schule, die dabei hilft, Kinder zu aufgewachten Wahrheitssuchern zu erziehen, die frühzeitig lernen, Belege und Argumente zu erkennen, zu bekämpfen und die geheimnisvollen Zeichen der unterdrückerischen Herrscher zu deuten.

Wie lässt sich Wahrheit von Fakten unterscheiden? Welche Aluhut-Form schützt am besten vor Gedankenkontrolle? Braucht man für ein diffuses Feindbild spezielle Farben? Diese kleine private Bildungseinrichtung, tief unter dem friedlichen Städtchen ████████ gelegen, bereitet den Nachwuchs auf die wirklich wichtigen Fragen des Lebens vor.

Wahr ist, was sich wahr anfühlt – die Schule der Wahrheit:

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=v48hNrv_3ws

Mehr zum Thema:

GWUP-Blog: Verschwörungs-Parodie: „Schule der Wahrheit“ – eine alternative Bildungseinrichtung

Homöopathie muss man sich leisten können

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Ute Parsch hat in der jüngsten Homöopathie-Diskussion bei der Badischen Zeitung darauf hingewiesen: Eine Arbeitsgruppe der bekannten Versorgungsforscherin Frau Prof. Witt – ehem. Berlin, jetzt Zürich – hat ermittelt, dass Homöopathie den Krankenkassen keine Kosten spart. Im Gegenteil: sie verursacht kräftig Zusatzausgaben. Die Arbeit ist bei PLOS ONE erschienen, d. h. sie ist allgemein zugänglich.

Daten von 44.550 Patienten wurden ausgewertet. Die Gesamtkosten lagen in der Homöopathiegruppe nach 18 Monaten höher (im Mittel bei 7.207 EUR) als in der Vergleichsgruppe (5.857 EUR). […] Das galt für alle Diagnosen. [1]

Der interessante zeitliche Verlauf hier:

Fig 1.  Mean overall cost (EUR) progression by group

Fig 1. Mean overall cost (EUR) progression by group

Wie das? Hieß es nicht tönend: „Kostenersparnis durch Vermeidung teurer schulmedizinischer Behandlungen“ (s. hier)? Aber die Wissenschaft ist nicht um Antworten verlegen. Das liegt nämlich an der Ganzheitlichkeit. Jedenfalls wurde gehörig Gehirnschmalz in diese Hypothese investiert:

Im Allgemeinen folgt die homöopathische Behandlung einem holistischeren Ansatz, der den ganzen Menschen und dessen Ressourcen berücksichtigt. Dieser Ansatz könnte dazu führen, dass ebenfalls weitere somatische oder psychische Störungen diagnostiziert und behandelt werden, und dass Patienten häufiger krankgeschrieben werden, um ein Ausruhen zu ermöglichen. Dieser holistischere Ansatz könnte zu weiterer konventioneller Behandlung mit zusätzlichen Kosten geführt haben.

Zunächst: es kann somit nicht unterstellt werden, dass die Homöopathie die Probleme löst, die sie „aufdeckt“. Und wie soll man sich das eigentlich konkret vorstellen? Der eifrige Homöopath, immer auf der Jagd nach der lukrativen Folgekonsultation: „Sie Ärmste(r), das ist ja schrecklich. Sie müssen sich ausruhen! Gehen’s zum Arzt, lassen Sie sich krankschreiben. Und kommen Sie in zwei Wochen wieder vorbei.“

Doch es bieten sich weitere Erklärungen an. Homöopathie macht krank, vor allem psychisch krank:

In den Monaten 1-3 hatten die homöopathischen Patienten 126,2% [2] mehr Diagnosen als die Kontrollen. Der größten Unterschied zwischen den Gruppen fand sich bei den psychischen Störungen (38.9%).

Oder gar: wer sich auf die Homöopathie stürzt, ist psychisch krank?

Im Ernst: etwas weniger ätzend formuliert, ist dies eine plausible Hypothese. Die Homöopathie-Patienten hatten vorher einen „integrierten Zusatzvertrag“ (integrated care contract) mit ihrer Krankenkasse abgeschlossen. Sie stellten also keine repräsentative Stichprobe aus der Grundgesamtheit der Versicherten dar, sondern eine Untergruppe, die vergleichsweise besorgter die eigene Befindlichkeit beobachtet und schneller als andere den Arzt aufsucht. Der Zusatzvertrag hat die Schwelle zum Arztbesuch gesenkt, weil er leichteren Zugang zu „Pflanzlichem“ versprach.
Andererseits, oder zusätzlich, könnten sich die teilnehmenden Ärzte womit auch immer (IGeL? Hufeland-Liste?) ein ordentliches, unverhofftes Zubrot gegönnt haben. Ein Blick in den gemeinten IV- oder Selektivvertrag würde die Phantasie anregen; aber wir werden wohl nichts Genaues dazu erfahren. Wer auch immer da jetzt die Kosten treibt, sei es nun der multipel sieche Homöopathie-Anwender oder der ökonomisch denkende Arzt: in jedem Fall konnten die Autoren keinen Zusammenhang zwischen einer höheren Inanspruchnahme und einem besseren Gesundheitszustand herstellen. Aber man kann nicht sagen, dass sie sich nicht redlich bemüht hätten.

Wahrscheinlich war die Studie falsch konzipiert. Um eine Kostenersparnis nachzuweisen, hätte man die Homöopathie nicht zusätzlich zur „konventionellen“ Medizin anwenden sollen. Prof. Edzard Ernst weist häufiger darauf hin, dass der Vergleich A+B versus B im allgemeinen unsinnig ist. Für das angestrebte Ziel wäre es einzig sinnvoll gewesen, die Homöopathie statt der wissenschaftlichen, „normalen“ Medizin anzuwenden.

Die Arbeit hat auf PLoS One auch einen Leserkommentar:

One primary argument in favor of homeopathy bites the dust.


  1. : Die Übersetzung ist (sinnwahrend) etwas vereinfacht, um die Lesbarkeit zu verbessern.
  2. 126,2%: Wir hoffen aber zugunsten der Homöopathie-Patienten, dass es nur 26% mehr gewesen sind.

Neulich, im Bio-Markt (3): Lebenslügen

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Zum wiederholten Mal hat eine große Biosupermarktkette Lebensmittel wegen Schadstoffbelastungen zurückgerufen. Zuletzt, im März 2015, waren dort in Hirsebällchen Tropanalkaloide festgestellt worden.

Kurz davor erwischte es einen Hirse-Getreidebrei mit Reis, in dem ebenfalls Tropanalkaloide auffielen.

Mit Tropanalkaloiden hatte Anfang 2015 auch die verbreitete Biomarke „Rapunzel“ zu kämpfen, und zwar in Maisgrieß-Produkten.

Pyrrolizidinalkaloide fanden sich im Biobabytee und gentechnisch verändertes Gemüse im biologisch-dynamisch überbauten Babygemüsebrei von Demeter.

Stimmt etwas mit den Zulieferern nicht? Nein, das ist es nicht. Das Problem sitzt viel tiefer – es sitzt in einigen Lebenslügen der Branche.

Erste Lebenslüge: Bio ist ohne Gift.

Falsch. Richtig ist vielmehr: Bio enthält allenfalls weniger synthetische Giftstoffe. Unter dem Strich könnte ein Nullsummenspiel vorliegen. Moderne Herbizide verschonen das kultivierte Produkt. Sie sind in irgend einer Dosis toxisch, aber das liegt im Wesen einer Substanz, mit der man Lebendes zu Totem machen will, und gerade das aktuell wieder einmal so gescholtene Glyphosat schneidet in dieser Hinsicht geradezu vorbildlich ab. Interessanter ist die Frage, ob es dem Konsumenten schadet und wieviel im Produkt davon zurückbleiben darf. Dafür gibt es Grenzwerte in teilweise abenteuerlich niedrigen Größenordnungen. In der Natur trachtet allerdings auch eines nach dem Leben des anderen, vor allem, wenn es ums Gefressenwerden als Alternative geht. Giftstoffe sind in Pflanzen weit verbreitet – Pflanzen müssen sich stationär verteidigen, sie können ja nicht weglaufen. Verzichtet man auf Herbizide, die den allgegenwärtigen Giftmischern aus Mutter Natur den Garaus machen, vertauscht man eine Belastung gegen die andere; und im

Ackerwinde

Ackerwinde

Falle Alnatura scheint genau das wiederholt der Fall gewesen zu sein. Tropanalkaloide zum Beispiel sind natürliche Pflanzengiftstoffe, sie kommen vor allem in den Nachtschattengewächsen , Windengewächsen, Rotholzgewächsen, Silberbaumgewächsen und Rhizophoragewächsen vor, vereinzelt auch in Wolfsmilchgewächsen und Kreuzblütlern – so ziemlich alles, was im oder am Getreidefeld wuchert. Verzichtet man auf die Bekämpfung solcher Gewächse in den Getreidekulturen, wandern deren Giftstoffe in die fertigen Produkte – unter anderem in den Babybrei.

Manchmal ist es auch einfach das Leitungswasser, das einen Strich durch die saubere Rechnung macht, so im Falle von Chlorat-Funden in einem Sojadrink, was zu einer herben Abwertung bei Öko-Test führte, und wozu der Vermarkter schreibt:

„Die Spuren von Chlorat im Alnatura Sojadrink Calcium sind auf das verwendete Trinkwasser zurückzuführen. In Deutschland kontrollieren die Wasserversorger das Trinkwasser regelmäßig und versetzen es dort, wo es notwendig ist, mit einer minimalen Menge Chlor“. 

Zuvor, im Heft 1/15 beanstandete Öko-Test Kartoffeln wegen Cadmium-Gehalten. Auch hier die gleiche Reaktion:

„Cadmium ist ein Stoff, der in der Umwelt weit verbreitet und praktisch überall zu finden ist. Je nach Anbauregion ist das Metall in den Böden in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten. Hier wird es natürlicherweise von den Pflanzen in Spuren aufgenommen.

Die Europäische Kommission hat Höchstgehalte für Cadmium in Lebensmitteln festgelegt. Diese Höchstmengen werden von Alnatura -Kartoffeln deutlich unterschritten. “ 

Das gleiche Spiel wenige Monate vorher mit als erhöht eingestuften Thiaclopridgehalten im Honig, Anthrachinon im schwarzen Tee, Mineralölbestandteilen in Mandeln (hier sogar ein „mangelhaft“), Acrylamid im Kaffee, 3-MCPD- und Glycidylestern, Spuren von DDAC im Dinkel-Milchbreipulver, Pyrrolizidinalkaloiden im Stilltee.

Alnatura ist zugute zu halten, dass das Unternehmen die Sache offensiv handhabt und konsequent zurückruft, auch auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere eingeschnappte Biobürger sich nachhaltig abwendet. Nur deckt Alnatura damit eben auch gerade die Lebenslüge Nr. 1 auf.

Dass das Problem tatsächlich viel größer ist, als es die offensive Veröffentlichungspolitik von Alnatura und Rapunzel annehmen lässt, dringt hier und da schon einmal durch:

„Besonders anzurechnen deshalb, weil beispielsweise bei den seit November 2014 aufgekommenen Rückrufmaßnahmen für belastete Natur-/Getreideprodukte wieder einmal deutlich festzustellen war, das Unternehmen diese „Unregelmäßigkeiten“ aufgrund fehlender, verbindlicher Vorgaben unterschiedlichst „kommunizieren“ – mit der Folge, dass nur ein Bruchteil betroffener / gefährdeter VerbraucherInnen davon erfährt.“

Zweite Lebenslüge: Die Natur ist Dein Freund.

1schimmelmaisFalsch. Richtig ist: Leben bedeutet Überleben. Wer sich nicht gegen natürliche Einflüsse wehrt, lebt nicht lange. Die Natur hat einige der übelsten Giftstoffe höchstselbst ausgebrütet. Krebserzeugende Aflatoxine sind natürliche, von Schimmelpilzen erzeugte Gifte. Sie kommen praktisch überall vor, wo Lebensmittel gelagert werden. In erträglichen Mengen bleiben sie nur unter modernsten Lagerungsbedingungen – temperiert, belüftet – und eben auch chemisch unterstützt. Die letzten in größerem Maßstab aufgefallenen Proben kamen aus der Maiserzeugung eines eher rückständigen, kleinbäuerlich geprägten Produktionslandes – Serbien.

 

Kann wegen Botulintoxin für Kleinkinder riskant sein: Honig

Kann wegen Botulintoxin für Kleinkinder riskant sein: Honig

Botulinumtoxin, das Gift des Bodenbakteriums Clostridium botulinum, ist ein Supergift; mit etwa einem Gramm davon ließe sich Deutschland entvölkern, gerechte Verteilung vorausgesetzt. Gefährdet sind Fleisch- und Fischkonserven, Mayonnaise, aber auch schwachsaure Frucht- oder Gemüsekonserven – alles, was unter Luftabschluss gehalten wird und mit dem Bakterium in Kontakt gekommen ist.

 

 

 

Und noch ein schreckenerregendes Beispiel: den folgenschwersten Lebensmittelskandal verdanken wir nicht irgend einem an der Nachweisgrenze aufgefundenen Schadstoff – vergessen Sie das Dioxin-Ei so schnell, wie es Ihnen einfiel. Es geht um EHEC, ein Kolibakterium aus der Escherichien-Familie. Über 4000 Erkrankte, darunter über 800 Schwerstkranke, gezeichnet für den Rest ihres Lebens – und 53 Tote: das war die Bilanz des Sommers 2011. Die wahrscheinlichste Quelle: kontaminierte Rohkostsprossen aus Bio-Erzeugung.

Die bedeutendste gesundheitliche Gefahr aus unserer Nahrung ist, trotz wesentlicher Verbesserungen (und abgesehen von primären Pilzvergiftungen), immer noch die gleiche wie in alten Zeiten: mikrobielle Kontamination. Trotz stetig sinkender Fallzahlen gibt es in Deutschland jährlich noch etwa 15.000 (gemeldete) Salmonellosefälle. Bei einer Letalitätsrate von etwa einem Promille sind das mehr als ein Dutzend Todesfälle jährlich, die sich, Fall für Fall, präzise und eindeutig auf diese höchst natürliche Form bestimmter Verunreinigungen zurückführen lassen (die ungemeldeten Fälle gar nicht mitgerechnet) – und nicht mit abenteuerlichen Hochrechnungen aus unbelegten Toxizitätsvermutungen. Das hat noch kein Dioxin-Ei geschafft.

Natürlich ist erst einmal nur natürlich. Ob es gesund – oder wenigstens nicht ungesund – ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Und ob ein Überrest von synthetischen Pflanzenschutzmitteln in der Nähe der technischen Nachweisgrenze nicht sinnvoller und am Ende weniger schädlich ist als ein Cocktail aus der Giftküche von Mutter Natur, sollte besser nicht weltanschaulich, sondern toxikologisch beurteilt werden.

Dritte Lebenslüge: Null-Toleranz gegenüber jeglichen Giftstoffen!

Unsinnig. Richtig ist: dann könntet ihr euren Laden dichtmachen. Obst, Gemüse, Getreide, Milch, Eier, Fleischwaren – einfach alles enthält irgendwelche Stoffe, die in irgend einer Dosis schaden können, und das gilt unabhängig von Grenzwerten, die auf der politischen Ebene ausgekungelt werden. Nur: solche Dosen kommen in der Praxis fast nie vor. Auch bei Alnatura scheint man sich das klargemacht zu haben, denn die oben schon zitierte beschwichtigende Sprachregelung heißt: in den vorgefundenen Mengen ist das Zeug, dessentwegen eine Abwertung erfolgte oder wir zurückrufen, ungefährlich. Das ist wahrscheinlich sogar richtig, aber – wie war das noch gleich mit der Nulltoleranz gegenüber Giftstoffen? Weshalb ruft man dann überhaupt zurück? Oder ergäbe es einen Sinn, gegenüber Giften aus natürlichen Quellen eben doch ein bisschen toleranter zu sein als gegenüber denen aus dem Reagenzglas? – womöglich sogar dann, wenn sie chemisch ganz oder fast vollständig identisch sind? Vernünftigerweise doch wohl nicht. Dann aber ist es Essig mit der Nulltoleranz als Ziel der Biolandwirtschaft.

Und was soll man im Ernst von einem Schadstoff-Testergebnis halten, bei dem ein mit Leitungswasser gewaschenes Produkt wegen Chloratgehalten abgewertet wird? Womit brüht man in der Ökotest-Redaktion eigentlich den Kaffee?

Manchmal ist es sogar gerade die spezifische Anbau- und Pflanzenschutzmethode der Bio-Landwirtschaft, die ernstzunehmende Kontaminationen verursacht. Kürzlich bekannt geworden ist ein Fall, in dem ein Glühweinprodukt mit überhöhten Kupferwerten zurückgerufen werden musste.

Kaum ein konventioneller Winzer verwendet gegen falschen Mehltau noch das archaische Kupfervitriol als Spritzmittel – lebertoxisch, gewässerschädlich, im Boden anreichernd. Im Bioweinbau ist es – weil es keine Alternativen gibt – das Mittel der Wahl, es dürfen innerhalb der ausgebrachten Lösung bis zu 3 kg reines Kupfer pro Hektar und Jahr ausgebracht werden. Ein hausgemachtes Bio-Problem, zurückführbar eigentlich nur auf eine weltanschaulich begründete Abscheu vor Produkten der chemischen Industrie.

Vierte Lebenslüge: Das ist ein Problem der Bio-Supermärkte.

Unhaltbar. Richtig ist: bei den kleinen Erzeugern und Vermarktern merkt es bloß keiner. Und welcher Kleinkrämer, der ein paar Gläser aus dem „Rapunzel“-Sortiment in seinen Regalen stehen hat, organisiert einen Rückruf unter seiner Kundschaft?

Fünfte Lebenslüge: Bio ist ohne Gene

Falsch. Bio ist nicht einmal ohne gezielte grüne Gentechnik. Dass selbst bei denen, die mit dem Mond tanzen, Reste von gentechnisch veränderten Pflanzen im Babygemüse landen, hatten wir ja schon erwähnt. Und noch einmal am Beispiel Alnatura: Öko-Test hat im Heft 6/15 einen „Sojadrink Calcium“ auf „ausreichend“ abgewertet, weil Spuren gentechnisch veränderter Bestandteile festgestellt wurden. Alnatura schreibt dazu:

„Gentechnisch veränderte Pflanzen sind mittlerweile im konventionellen Landbau weit verbreitet. Durch Pollenflug können sich diese unerwünschten und im Bio-Landbau verbotenen Pflanzen verbreiten und so auch auf biologisch bewirtschaftete Felder gelangen. Deshalb lassen sich Spuren gentechnisch veränderter Pflanzen leider nicht immer vollständig vermeiden. Vereinzelt kann es auch beim Transport zur unbeabsichtigten Übertragung von Stäuben kommen…“. 

Und weiter: im Prinzip sei das alles ungefährlich. Nur: dann stimmt etwas an den Grundsätzen nicht, oder? Wozu verbannt man absichtlich angewendete grüne Gentechnik, wenn unabsichtlich eingetragene auch nichts tut? Wissen die Gene, ob sie vorsätzlich oder fahrlässig handeln? 

Noch gar nicht behandelt ist damit das Thema der antediluvialen Gentechnik mit dem Holzhammer, über die wir schon einmal berichteten. Da bekommt man zu den Genen auch noch die Strahlen, grausig aber wahr. Natürlich finden Sie solche Erzeugnisse im Obstregal Ihres Biomarktes, allen voran die rosa Grapefruit. 

Sechste Lebenslüge: Bio ist regional

Falsch. Es ist überhaupt kein Problem, an zwölf Monaten im Jahr im Biosupermarkt frisches Obst und Gemüse aus Übersee einzukaufen. Selbst Wein aus Australien, Neuseeland, Südafrika und Lateinamerika, bei dem sich die Frage der Frische nun wirklich nicht stellt, ist ständig im Sortiment, von konservierter Feinkost ganz zu schweigen. Agavendicksaft wird nicht beim Biobauern Bernhard gewonnen, sondern dort, wo er als Nebenprodukt bei der Tequila-Herstellung übrigbleibt. Und alles Himalayasalz, das tatsächlich aus dem Himalaya und nicht, wie so oft, aus Polens Salzbergwerken stammt, müsste man auch auf die Sündenliste setzen. Der Grund ist naheliegend: würden die Märkte nur saisonal und regional verfügbare Produkte anbieten, ließe die Stammkundschaft aus dem zahlungskräftigen und anspruchsvollen gehobenen Mittelstand sich das nicht bieten. Bis zu einem Steckrübenwinter reicht der Enthusiasmus dieser Klientel dann doch nicht.

 

Steckrübenwinter 1916

Steckrübenwinter 1916

 

Ein beruhigendes Fazit

Wer Geschmack an bestimmten Produkten hat, mag sie kaufen, wo er/sie will. Die sensorische Qualität darf entscheiden, auf einer anderen Ebene sicher auch der Preis – mehr ist vernünftig nicht zu begründen. Für empfindliche Gemüter könnte man noch einen Rat anschließen: wer sicher gehen will, keine Impfgegnerkampagnen durch die Hintertür zu finanzieren, kann gerne um Demeter-Produkte einen Bogen machen.

 

 

Mutter Theresa – Die Heilige des elenden Verreckens

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theresa
Der Papst hat vor kurzem den Weg für die Heiligsprechung von Mutter Theresa bereitet, indem er eine angebliche Wunderheilung anerkannte, die sie nach ihrem Tod erwirkt haben soll.

Das ruft in doppelter Weise Verblüffung hervor: einerseits wegen der Tatsache, dass die extrem zweifelhafte Geschichte mit der Wunderheilung einfach so akzeptiert wird, andererseits ob der zweifelhaften Leistungen der Frau. Naiverweise stellt man sich doch unter einer Heiligen eine Frau vor, die viel Gutes und nie Schlechtes getan hat. Diese Definition mag zwar nicht felsenfest sein, dürfte aber doch dem allgemeinen Gefühl entsprechen.

Beleuchten wir einmal beide Punkte.

Das Wunder
Bei Monica Besra wurden bei einer Ultraschall-Untersuchung im Krankenhaus von Balurghat Tuberkulose und eine Zyste an den Eierstöcken gefunden. Eine solche Zyste ist gut behandelbar, nur in wenigen Fällen ist eine Operation nötig. Nach einigen Monaten ambulanter Behandlung wurde Monica Besra im März 1999 für geheilt erklärt. Dr. Murshed, der Direktor des Krankenhauses und die behandelnden Ärzte Dr. Mustafi und Dr. Biswas erläuterten später, dass es sich um einen ganz normalen, nicht im Mindesten außergewöhnlichen Fall gehandelt habe.

Vielleicht abgesehen von der Tatsache, dass Dr. Murshed danach häufig mit Anrufen belästigt wurde, er möge doch das Wunder bestätigen.

Nun denkt man sich: da müssen doch Unterlagen existieren, Protokolle, Laboruntersuchungen, etc. Leider sind diese nicht mehr vorhanden. Die medizinischen Unterlagen wurden nach der Behandlung an eine Schwester Betta der Missionarinnen der Nächstenliebe (der Orden von Mutter Theresa) übergeben und sind seitdem verschwunden. Die Missionarinnen der Nächstenliebe gaben zunächst an, sie verlegt zu haben, änderten danach jedoch ihre Geschichte und behaupten inzwischen, die Unterlagen nie erhalten zu haben. Damit steht praktischerweise die Aussage von öhhh – ähm: eigentlich genau genommen niemandem gegen die Angaben der behandelten Ärzte. Sogar Monica Besra zog zwischendurch ihre Behauptungen zurück, nachdem die Nonnen die versprochene monetäre Unterstützung nicht geleistet hatten.

Aber: von solchen Kleinigkeiten lässt man sich nicht aufhalten. Wunderbarerweise finden sich an ihrer Stelle in der 34.000 Seiten umfassenden Sammlung angeblicher Wundertaten von Mutter Theresa die Aussagen diverser Ärzte, die angeben, die Heilung sei „wissenschaftlich unerklärbar“. Weniger wunderbar ist es, dass in dem Krankenhaus, in dem Monica Besra behandelt wurde, keiner diese (z.T. dort angeblich arbeitenden) Ärzte kennt.

Mit den tatsächlich behandelnden Ärzten, wie Dr. Ranjan Mustafi, wurde der Einfachheit halber gar nicht erst gesprochen. Und Monica Besra besann sich nach Erhalt einer großzügigen Spende der Mother Teresa Charitable Welfare Society und der Aufnahme ihrer 4 Söhne in eine Privatschule doch wieder eines Besseren. Halleluja! Es geschehen noch Zeichen und Wunder.

Man ist an der Stelle fast geneigt, mit den Ermittlern des Vatikans, den Nonnen und auch der Katholikin Monica Besra über das 8. Gebot zu sprechen, aber seien wir mal nicht so. Bei so einem leuchtenden Beispiel der Menschlichkeit, des gelinderten Leidens kann man schon mal ein paar Dutzend Augen zudrücken.

Mutter Theresa, die Heilige

Allerdings stößt man, wenn man ein wenig nachliest, abseits der Darstellung als Heilige schnell auf eine andere, eine fanatisch fundamentalistische Betrügerin. Der Journalist Christopher Hitchens blickte in seinem Essay The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Practice hinter die schöne Fassade und fand jenseits der schönen Bilder eine unschön unheile Welt; für ihn war Mutter Theresa ein Engel der Hölle.

Wobei das Ganze natürlich eine Sache des Blickwinkels ist. Wir, und wohl auch der inzwischen verstorbene Christopher Hitchens, erwarten uns von einer Heiligen, dass sie im Sinne humanistischer Ideale handelt und das Leben der Menschen besser macht. Aus unserer Sicht, auch wenn es vielleicht pathetisch klingt, sollte Leiden gelindert werden, die Armen aus der Armut geführt, die Kranken versorgt, wenn möglich geheilt, die Hungernden mit Nahrung versorgt werden.

Mutter Theresa hat das aber wohl nie interessiert. Ihre Zielsetzung war eine andere.

„Der höchste Zweck des menschlichen Lebens besteht darin, in Frieden mit Gott zu sterben.“

Die Kritik, dass in ihrem Heim an Hygiene mangele, dass Kranke keine Untersuchung, keine medizinische Versorgung, keine Schmerzmittel erhielten, dass z.B. Tuberkulosekranke neben anderen liegen und diese anstecken …, kommentierte Mutter Teresas folgendermaßen: „Wir sind keine Krankenschwestern, wir sind keine Sozialarbeiter, wir sind Nonnen.“

Mutter Theresa ging es um die kirchliche Doktrin, das Seelenheil, nicht um das sonstige, körperliche Wohl der Kranken. Bei Hitchens und vielen anderen Kritikern löste das große Empörung und Abscheu aus. Inzwischen haben auch kanadische Wissenschaftler Wirken und Einfluss der Mutter Theresa einer genauen Untersuchung unterzogen und zeichneten in ihrer Arbeit ein sehr zweifelhaftes Bild, in der Kritik an der fragwürdigen Versorgung der Armen, den fragwürdigen, ultrakonservativen politischen Ansichten, fragwürdigen Kontakten, fragwürdigen Geschäftspraktiken aufgeworfen wurde und stellten auch die Frage: „Wohin sind die Millionen an Spenden für die Ärmsten der Armen verschwunden?“

Aber, nichtsdestotrotz: ob Mutter Theresa eine Heilige im Sinne der Kirche ist, muss man aus Sicht der katholischen Kirche beurteilen. Die humanistischen Maßstäbe, die wir anlegen, sind für die Kirche fast logischerweise bedeutungslos.

Und aus ihrem Blickwinkel hat Mutter Theresa zweifellos richtig gehandelt! Ist nicht das Seelenheil wertvoller als das körperliche Wohl? Das Leiden in der diesseitigen Welt wird in der jenseitigen Welt belohnt werden. Alle Ungerechtigkeit, alles Leiden zahlt sich aus, wenn man schließlich in den Himmel gelangt. Ist es da nicht besonders gut, wenn die Menschen möglichst viel leiden, wenn sie dafür die Belohnung des Ewigen Lebens im Himmel erhalten?

Das Mutter Theresa in diesem Sinne eine Heilige ist, lässt sich wohl am Einfachsten mit einem kleinen Zitat belegen:

There is something beautiful in seeing the poor accept their lot, to suffer it like Christ’s Passion. The world gains much from their suffering.

Es liegt etwas Schönes darin, die Armen ihr Schicksal akzeptieren zu sehen, es zu erleiden wie die Passion Christi. Die Welt gewinnt viel aus ihrem Leiden.

Ihr wollt es doch so. Von Drüsen, Kälbern und der Arzneimittelzulassung.

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thymosand

Im Board „Unzufrieden mit einem Psiram-Artikel?“ war eine Beschwerde eingegangen. Ein User namens „thymosand“ zeigte sich unerfreut ob unseres Wiki-Artikels zu … wer hätte es ahnen können? … „Thymosand”. Nachdem wir die Paralyse ob der narzisstischen Kränkung, bei einem inhaltlichen Fehler erwischt worden zu sein, mehr schlecht als recht überwunden hatten, begann die Diskussion. Sollten wir den Fehler korrigieren? Einen Ruf haben wir dahingehend ja nicht zu verlieren, und wenn das einreißt? Wenn da jetzt alle kommen? Nach langen, ermüdenden Grabenkämpfen trug die Fraktion derjenigen, die vor ihrem Taxischein mal eine Einführungsveranstaltung zum Thema „Wissenschaftliches Arbeiten“ abgesessen hatten, einen Sieg davon. Fehler haben korrigiert zu werden. Jetzt ging es also darum, heraus zu finden, worin der Fehler genau gelegen haben soll. Wofür sich ein paar unerschrockene Recken wieder in den Thread begaben und thymosand um Erleuchtung baten.

Ist Thymosand ein Arzneimittel?

Thymosand ist ein Arzneimittel, auf so viel konnten wir uns einigen. Es wird aus der Thymus-Drüse von Kälbern gewonnen, so viel ist unbestritten. Es soll „die Immunabwehr stärken“, so viel behauptet der Hersteller, die Sanorell Pharma GmbH & Co. KG aus Bühl in Baden. Es sticht unter den dutzenden von Produkten mit diffusen Wirkmechanismen und unbelegten Wirksamkeitsversprechen im Wiki nicht nennenswert heraus, über so viel waren wir uns einig. Alles andere scheint aber Diskussionsstoff zu bieten. Ist Thymosand ein Frischzellenpräparat? Ist Thymosand ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel? Sind Ärzte „Verbraucher“ im Sinne des Arzneimittelgesetzes? Ist es falsch, wenn wir im Wiki-Artikel sagen, dass Thymosand nicht zugelassen ist? Und vor allem: Ist Thymosand wirklich verkehrsfähig?

Um diese Frage zu beantworten, lassen Sie mich Ihnen in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi Geburt … ‚tschulligung, Tucholsky-Gedenkminute, soll hier das etwas dröge Thema auflockern. Denn ganz so weit müssen wir nicht in die Geschichte gehen. Ein bisschen aber schon, nämlich exakt 40 Jahre.

Als der deutsche Gesetzgeber sich 1976 – nur 15 Jahre nach Contergan, immerhin – endlich bequemte, das damals geltende erste Arzneimittelgesetz zu reformieren, machte er sich eine Menge Sorgen. Er machte sich Sorgen, dass eine strenge Zulassung der Industrie des damaligen Weltmarktführers schaden könnte. Er machte sich Sorgen, dass die Deutschen sich nicht in ausreichendem Ausmaß an kontrollierten klinischen Studien beteiligen würden. Er machte sich Sorgen, dass die Arzneimittel der „besonderen Therapierichtungen“ keine Chance hätten, wenn sie den gleichen Anforderungen gerecht werden müssten wie richtige Medikamente.

Zwischen dem ersten Entwurf des zweiten deutschen Arzneimittelgesetzes in 1974 und seinem Inkrafttreten im Jahr 1978 lagen fast vier Jahre, in denen an dem ursprünglich vorgesehenen Wirksamkeitsnachweis herumgewerkelt wurde, bis er nicht mehr zu erkennen war. So mussten Hersteller zwar die Wirksamkeit ihrer Produkte nachweisen, diese Hürde wurde aber bewusst so niedrig ausgestaltet, dass sie einer auf dem Boden liegenden Limbo-Stange glich: Unten drunter kommt man nicht mehr durch, aber man muss das Bein nicht nennenswert anheben, um drüber zu steigen. Statt den zu diesem Zeitpunkt schon ausufernden Bestand von Alt-Arzneimitteln bei der Gelegenheit wenigstens ebenfalls auf Wirksamkeit zu prüfen, galten diese als „fiktiv zugelassen“ und konnten bis zu einer scharfen Rüge der EU im Jahr 2005 gehandelt werden. Yepp, Sie haben richtig gelesen: Arzneimittel, die schon vor 1978 gehandelt wurden, konnten bis 2005 vertrieben werden, ohne dass jemals eine einzige klinische Studie zu ihrer Sicherheit und Wirksamkeit durchgeführt wurde.

Das schafft Vertrauen in das Bemühen des Staates um unser gesundheitliches Wohlergehen, wa?

Ist ja alles nicht so wild, denn ist ja nicht so, als würden hier Menschen sterben, nicht wahr? Wenn da gefährliche Sachen dabei sind, dann wird das den Horden von „Erfahrungsmedizinern“, die auf diese Produkte schwören, schon auffallen, meinen Sie?

Auch auf die Gefahr hin, dass wir, statt uns weiter mit einem eleganten Köpper in unseren Geldspeicher zu stürzen, bald ins öffentliche Schwimmbad müssen, weil „big pharma“ die Finanzierung einstellt: Doch. Es sind Menschen gestorben. Das handwerklich schludrige zweite Arzneimittelgesetz hat bis zu seiner Anpassung an europäische Standards Leben gekostet und tut es vielleicht noch heute. Diese Therapien töten vielleicht nicht immer direkt, weil sie unsicher sind, aber sie töten indirekt, weil sie besseren Alternativen mit belegter Wirksamkeit unterlegen sind.

Glauben Sie nicht? Hier zwei Beispiele, auch wenn die geeignet sind, das Vertrauen in den Staat als Wächter über die Arzneimittelsicherheit schwer zu erschüttern.

Arzneimittelsicherheit fällt nicht vom Himmel.

2005 nahm die Staatsanwaltschaft Gießen Ermittlungen gegen Joachim Boldt auf. Boldt, damals Chefarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Ludwigshafen und apl. Professor an der Uni Gießen, hat sich Zeit seines Berufslebens – ganz uneigennützig, versteht sich – für den Einsatz von Hydroxyethylstärke (HES), ein Blutplasmaersatzstoff, der in der Notfallmedizin eingesetzt wird, stark gemacht. Boldt, der heute im Ausland praktiziert, hat u.a. mit Datenmanipulationen maßgeblich dazu beigetragen, dass HES lange Zeit zur Grundausstattung in RTW gehörte – obwohl die Wirksamkeit nie verlässlich belegt und durch eine Zulassungsbehörde überprüft wurde, ganz zu schweigen von der Überlegenheit gegenüber Alternativen. HES war bereits vor 1978 verfügbar, als klinische Studien noch unüblich waren. Es hat zwar die Zulassung durchlaufen, aber die letztliche Entscheidung beruhte allein auf „anderweitigem Erkenntnismaterial“, d.h. auf den von uns bei Psiram so heiß und innig geliebten Monographien: Sammelsurien von Beobachtungen und Fallbeschreibungen, aufgelockert durch Ergebnisse aus Tier- und in-vitro-Versuchen. Keine klinischen Studien. Erst 2013, lange nach den klinischen Studien, Meta-Analyse, die die Unterlegenheit von HES belegten und auf eine erhöhte Mortalität im Zusammenhang mit dem Produkt hinwiesen, empfahl die EMA die Marktrücknahme des Produkts.

Zwischen 2007 und 2011 betrieb ein niederländischer Unternehmer, Cornelis Kleinbloesem, in Düsseldorf die xCell-Klinik, die mit autologer Stammzellentherapie in verzweifelten Fällen gute Geschäfte machte. Den Standort in Düsseldorf wählte er nicht zufällig und sicher nicht wegen des guten Klimas im Rheinland. „Stammzellentherapie“ klingt erstmal toll: Das ist neu, das ist innovativ, da werden neue Wege beschritten, da werden die ganz großen Brummer in Angriff genommen. Die xCell-Klinik warb mit Erfolgen bei Parkinson, Alzheimer, MS, ALS, AIDS und Krebs. Je verzweifelter der Patient und seine Familie, desto besser. Für Herrn Kleinbloesem. Tatsächlich ist die autologe Stammzellentherapie aber so neu und innovativ, dass sie noch weit von der regelmäßigen therapeutischen Nutzung entfernt ist. Es gibt für ihre Wirksamkeit nur in wenigen Indikationen Belege und Leitlinien. In den Niederlanden, dem Herkunftsland von Herrn Kleinbloesem, wäre das nicht möglich gewesen, weswegen er die liberalere deutsche Gesetzgebung bevorzugte. Denn Gewebe, das dem Patienten entnommen wird, um ihm nach einer Aufbereitung wieder zugeführt zu werden, fiel hier als „Eigenherstellung“ unter die ärztliche Therapiefreiheit, nicht unter das Arzneimittelgesetz. Es mussten erst zwei Menschen sterben, bis die zuständige Landesbehörde ausreichend Handhabe sah, um die Klinik zu schließen. Machen Sie sich keine Sorgen, dass Herr Kleinbloesem dadurch in eine unschöne finanzielle Zwangslage geraten sein könnte. Er eröffnete einfach stante pede eine neue Klinik und macht weiter wie gehabt. Jetzt im Libanon.

Der pharmazeutische Limbo

Was hat das jetzt alles mit Thymosand und der Sanorell Pharma GmbH & Co. KG zu tun? Erinnern Sie sich noch an die auf dem Boden liegende Limbo-Stange? Stellen Sie sich einen Besenstiel vor, über den Sie drübersteigen sollen. Unüberwindliches Hindernis? Eher nicht. Außer man heißt Sanorell Pharma und möchte den Menschen irgendwas aus den Thymus-Drüsen von Kälbern andrehen, weil denen das irgendwie die Immunabwehr stärken soll. Was sagt das über ein Unternehmen aus, wenn es auch im löcherigsten Gesetz EVER! noch nach einer passenden Lücke suchen muss? Mit viel Kreativität und Gehirnschmalz, wohlgemerkt.

Bereits seit 1987 ist die Injektion von tierischen Frischzellen, u.a. wegen der Gefahr von Abstoßungsreaktionen und Zoonosen (Ja. Zoonosen. Krankheiten, die Tiere bekommen.), verboten. In den 1980er Jahren war diese Therapieform der Schwurbel des Jahres, also in etwa das, was heute Detox ist. Armin Klümper, unrühmlicher Sportmediziner und Dealer der Stars im Leistungssport, schwört drauf. Erst nach dem Tod der Sportlerin Birgit Dressel setzte ein Umdenken ein. Was Sanorell Pharma nicht anficht – bieten sie heute doch nur gefriergetrocknete Extrakte (Trockensubstanzen) an, die erst durch Auflösen in einem Lösemittel injizierbar werden. Clever, nicht?

Aber damit reißen die Herausforderungen, vor denen unser kleines, tapferes Unternehmen steht, nicht ab. Die Probleme von Sanorell Pharma begannen 2005, als die EU Deutschland dann doch mal wegen der verschleppten Nachzulassung für fiktiv zugelassene Arzneimittel auf die Füße trat. 2013 ging die Klinik im Schwarzwald, in der Thymosand eingesetzt wurde, in die Insolvenz, womit der wichtigste, wenn nicht gar der einzige Vertriebskanal wegfiel. Statt Thymosand einfach klinisch zu prüfen, um dann mit den Ergebnissen die reguläre Zulassung zu beantragen, ließ sich der Hersteller zu ungeahnten kreativen Höhenflügen hinreißen. Thymosand als fertiges Produkt hat keine Chance auf eine Zulassung nach heutigen Standards. Sanorell Pharma hat ein Labor, eine Betriebserlaubnis als pharmazeutisches Unternehmen nach AMG, aber kein zugelassenes Produkt. Die Eigenherstellung durch Ärzte fällt unter die Therapiefreiheit. Die Lösung liegt so nahe. Na, kommen Sie drauf? Kurzes Pow-Wow mit dem Head of Marketing und schon hat Sanorell Pharma eine neue Geschäftsstrategie, die sicherstellt, dass die Versorgung mit medizinisch unabdingbaren Thymuspräparaten zu keinem Zeitpunkt ins Stocken gerät. Denn statt des fertigen Produkts bietet Sanorell jetzt die Bausteine an. Und ein Labor in Bühl/Baden. Für eigenherstellende Ärzte. Zur Anwendung an deren Patienten. Das Prinzip kennt man aus Autowerkstätten, wo man am gemieteten Stellplatz am eigenen Wagen herumschrauben kann. Nur ist dort die fachliche Aufsicht durch einen Kfz-Meister vorgeschrieben, immerhin geht es um Leben und Tod.

Das alles könnte legal sein. Wir wollten es auch nicht glauben, aber das galt nicht weniger für die Geschäftspraktiken von Boldt und Kleinbloesem, weswegen wir die Möglichkeit, dass die Justiziare von Sanorell Pharma durch eifriges und beharrliches Knibbeln am Gesetzestext ihre eigene kleine Gesetzeslücke geschaffen haben, zumindest in Erwägung ziehen. Aber wir sind ja serviceorientiert. So kennt man uns, so liebt man uns. Der offizielle oder inoffizielle Firmenvertreter von Sanorell Pharma, der da im Forum aufgeschlagen war, schien sich sehr sicher zu sein, dass die Bemühungen des Unternehmens, die Zulassung zu umgehen, rechtssicher sind. Wir haben ihm angeboten, mal bei BfArM, PEI und den zuständigen Landesbehörden nachzufragen.

Gern geschehen.


Homöopathie, oder der Wahnsinn in Zeiten der Moderne

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ubu-roi

„Offener Brief: Kampf der Ideologen gegen die Homöopathie“

 

So titelt ein äh offener Brief, den man besser nicht geöffnet hätte:

Verfasser sind Monika Gerhardus, 1. Vorsitzende UDH Hessen und Dr. rer. nat. Klaus Zöltzer 2. Vorsitzender UDH Hessen (UDH = Union Deutscher Heilpraktiker)

Weil das ja ein offener Brief ist, darf man das wohl sagen. Auch, dass ein Vor- oder Zweitsitz nichts an der Realität ändert, außer vielleicht an der Stuhlhöhe.

“Wer offen für alles ist, kann nicht ganz dicht sein” – ein Spruch, der etwas abgegriffen ist; aber ernsthaft: was könnte es besser treffen? Homöopathen vertreten eine Sichtweise der Welt, wie sie vor 200 Jahren noch als mittelinteressante Hypothese hätte durchgehen können. Doch selbst da gab es schon den ersten doppelblinden Versuch, der auch heutigen Standards entspricht: den Nürnberger Kochsalzversuch. Auch damals war es nicht zwingend, leicht gaga zu sein. Inzwischen haben wir Thermometer, mit denen wir die Körpertemperatur messen können (Hahnemann kannte das nicht), wir wissen, was Bakterien sind, wie Viren funktionieren, können gar Gensequenzen entschlüsseln, kennen extrem komplexe Zusammenhänge in der Zellstruktur, können einzelne Moleküle identifizieren, und wir wissen oft, was das eine mit dem anderen macht und noch viel, viel mehr. All das ficht Homöopathen nicht an, selbst wenn sie eine wissenschaftliche Ausbildung hatten. Es tropft alles ab am Teflon der Überzeugung, eine tiefere Erkenntnis geistartiger Art zu haben, obwohl selbst Hahnemann nur von Symptombehandlung sprach; eine tiefere Erkenntnis gar ausschloss. Wer sich für diesen Kindergarten des Denkens interessiert: Ist nicht verboten. Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.

Aber so sind sie, unsere heutigen Überzeugungsglaubulisierer: Sie unterstellen denen, die nach schlichten Belegen fragen, Irrationalität, während sie selbst glauben, ein Stoff wirke umso mehr, je weniger davon da ist. Aber nur, wenn man ihn passend auf einen ledernen Buchrücken schlägt. Oder die Kundschaft nach dem Tapetenmuster ihres Kinderzimmers in ihrer Babyphase fragt, um dann eine Sepsis zu übersehen. Ganzheitlich halt.

Man kann blutweinende Madonnen anbeten, sich nackt selbstpeitschend zu einer Wüstendurchquerung aufmachen. Alles kein Problem. Aber bitte, liebe Homöopathen, behauptet doch nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.

Wie viel Schwarzes Bilsenkraut  in D1-Potenzierung muss man eingeworfen haben, um das zu behaupten? Muss man wirklich die zweihundert Jahre der erfolglosen Studien immer noch ignorieren, die noch nie einen Wirksamkeitsnachweis erbrachten, und dann irgendwelche verzweifelten „Quantenhypothesen“ herbeifabulieren, die nicht einmal entfernt ein mathematisches Modell liefern? Seid ihr wirklich so unfähig zu begreifen, was ein Bias ist: die allzu menschliche Eigenschaft, sich selbst zu bescheißen?

Meine Güte, der Postmodernismus floriert, macht Wanderzirkusse auf, lasst bärtig-grimmige Männer auf Leiterwagen die Erlösung von Krankheit verkünden, hüpft mit klingelnden Narrenkappen durch die Innenstädte – hey, das dürft ihr doch alles! Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.

Aber nein, ihr wollt wissenschaftlich sein. Habt ihr den gar keine Ehre im Leib, wie z.B. Natalie Grams, euch einfach einzugestehen, dass man ziemlich blöd war, das Offensichtliche nicht zu sehen? Kann jedem mal passieren. Habt ihr nie ein Buch über Wahrnehmungspsychologie gelesen? Ist euch nie aufgefallen, dass die Welt nicht funktionieren könnte, wenn sich widersprechende Naturgesetze gleichzeitig wirken sollten?

Macht was ihr wollt, schmort in eurer irren Denkhölle. Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.

Inszeniert einen Homöopathietag und eine Nacht auf dem Brocken. Alles ok. Aber bitte, missbraucht nicht dauernd unser wunderbar zartes Pflänzchen der Erkenntnis, die Methode der Wissenschaft. Ihr gehört da nicht dazu. Haut ab. Ihr seid parasitär, euch interessiert Erkenntnis nicht, ihr wollt nur so tun, als ob. Weil ihr seit 200 Jahren glaubt, alles zu wissen. Ihr habt keine Demut vor dieser wunderbar komplexen Welt; ihr glaubt, dass wirres Denken und geistige Pfauenräder euch einen Zugang zu Herrschaftswissen verschaffen. Dürft ihr gerne. Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.

Ach ja, die “Argumente” in dem offenen Brief:

Homöopathie wirkt! Dabei ist die Frage des Placebo-Effekts nebensächlich, wie jeder gute Therapeut weiß.

Nach allen Studien in den letzten 200 Jahren wirkt sie eben nicht. Warum muss man so dreist lügen? Warum ist ein Therapeut gut, wenn er noch nicht mal Placebo mitnehmen will? 

Wiederholte Umfragen unter Patienten zeigen,

Wiederholte Umfragen unter Zuschauern von Zaubervorstellungen zeigen, dass die Leute sich unterhalten fühlten.

Und damit tritt schließlich auch die Frage nach dem wissenschaftlichen Nachweis in den Hintergrund.

Natürlich. Solange man glaubt, lebt man ja auch noch, also ist Glaube der Weg zur Unsterblichkeit.

Die Weinerlichkeit ist schlimm:

Der neuerliche Angriff auf die Homöopathie – einem Therapieverfahren mit verfeinerten (potenzierten) Mitteln aus Pflanzen, Mineralien, Metallen oder anderen biologischen Grundstoffen, die regulierende Selbstheilungstendenzen zu verstärken – ähnelt einem dogmatischen Glaubenskrieg.

Himmel, macht doch was ihr wollt, geht zusammen auf einem Teppich fliegen, wunderbar. Aber sagt halt einfach nicht, dass so etwas Wissenschaft sei. Potenziert doch bitte mal die verbliebenen Latten an eurem Zaun. Man muss doch auch innerhalb des homöopathischen Denkgebäudes zu einer gewissen Konsistenz in der Lage sein, und nicht einen Konsens zwischen nass und trocken als “trass” verkaufen wollen. Steht halt endlich zu eurer Magie!

So richtig ätzend an euch Homöopathen ist übrigens das Vorgaukeln, den anderen verstehen zu wollen, während man nur die eigene Befindlichkeit mit dem Zucker der Machtausübung futtert. Das ist euer eigentliches Prinzip: Alles individuell, nichts quantifizierbar, nichts belegbar, die Deutungshohheit. Recht haben, wenn es gut ging. Sonst war das Krankenhaus schuld. Und immer kann man sich in der eigenen Größe suhlen, die leider, leider keiner quantifizieren kann, aber wissenschaftlich will man natürlich sein. Ihr seid Lügner und Betrüger, in denkfauler Selbstverliebtheit in den Spiegel starrend, und von Bigotterie muss man noch nicht mal anfangen zu sprechen, weil sie so offensichtlich ist. Ihr kleinen Könige, bei denen die Sonne immer nur aufgeht, weil zum Glück euer Wecker rechtzeitig klingelt.

 

Big-Pharma investiert noch mehr in Online-Trolle!

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KonTrollzentrum

BRENTFORD, LONDON, GB – Wie das britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline heute ankündigte, sollen zukünftig wesentliche Teile des Budgets aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich für Statine abgezogen und statt dessen stärker in den Ausbau von Onlinetroll-Aktivitäten investiert werden.

„Wir haben den Eindruck, dass es heutzutage wichtig für unser Unternehmen ist, sämtliche sozialen Netzwerke sowie verschiedene Nachrichtenmedien mit bezahlten Trollen und Sockenpuppen zu durchsetzen.“, so Firmenchef Andrew Witty. „Wir planen, unsere Budgets intern so umzuschichten, dass allein in diesem Jahr eine Summe von etwa 345 Millionen US-Dollar für Troll-Aktivitäten zur Verfügung steht.“

Pharmatrolle sind heute aus dem Internet nicht mehr wegzudenken und sofort zur Stelle, wenn unabhängige Geister oder bloggende Mütter in Schach gehalten werden müssen.

„Meine gesamte Facebook-Seite ist bereits mit ihnen infiziert“, berichtet Kate Tietje, eine der vielen typischen grün-alternativen Mütter. „Glücklicherweise habe ich die Möglichkeit, sie jederzeit zu blocken, aber selbst das gleicht manchmal einem Spießrutenlauf.“ Vielen anderen ganzheitlichen, grünen, bio-affinen und naturliebenden Bloggern ergeht es nicht besser.

„Wenn ich etwas auf meine Seite schreibe, möchte ich mich auf gar keinen Fall vor Leuten rechtfertigen müssen, die sofort nach ‚Beweisen‘ und ‚Belegen‘ fragen. Das empfinde ich als grobe Respektlosigkeit und Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte. Die Leute sollen das, was ich schreibe, gefälligst einfach so hinnehmen und nicht noch großartig hinterfragen. Schließlich habe ich ein Recht auf freie Meinungsäußerung!“, beschwert sich Vani Hari alias ‚The Food Babe‘. „Diese ganzen bezahlten Schreiberlinge und Trolle der Pharmamafia sind doch reine Stickstoffverschwendung.“

Bereits ab kommender Woche sollen die eingeplanten Gelder entsprechend eingesetzt werden. Falls auch Sie ein pseudowissenschaftliches, verschwörungstheorieaffines, impfkritisches Blog betreiben, achten Sie unbedingt verstärkt auf anonyme Trolle und deren staatlich verordnete Pharma-Propaganda.

 

Dieser Text wurde von uns mit freundlicher Genehmigung von „the Science Post“ ins Deutsche übersetzt.

Original: http://thesciencepost.com/gsk-pharmaceuticals-moves-money-out-of-statin-drug-research-to-focus-on-paying-internet-trolls/

 

Mehr zum Thema:

Homöotology: Das Märchen von der pösen Pharmamafia™ – Epilog

gwup | die skeptiker: Skeptiker als Pharma-Söldner?

Der Postillon: Mann einziger normaler User in Forum voller Trolle

tp1024: Woher kommen die Kommentartrolle?

Cicero: Immun gegen die Wissenschaft

gwup | die skeptiker: Hurra, wir Homöopathiekritiker bekommen Geld von der Farmerindustrie. Nicht

naklar.at: Ran ans große Geld

Andrea Jacob –Öffentlich-rechtliche Empörung als Werbung für Hochstapler

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Plusminus_Redaktion

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist immer dafür gut, Skandale aufzudecken; kürzlich ging es in der ARD-Sendung plusminus um psychologische Gutachten. Eingangs wird der Fall eines quasi von Gerichts wegen entführten Kindes geschildert. Vorwand für diesen empörenden Eingriff in die Menschenrechte sei ein Gutachten gewesen; und: „Dabei sind sie [die Gutachten] oft das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.“ Sagt wer? Sagt die „Psychotherapeutin und Rechtspsychologin Andrea Jacob“. Sie „bestätigt“: „‘Ich habe noch nicht ein einziges Gutachten vorliegen gehabt, das wirklich allen fachlichen Anforderungen entsprochen hätte.‘“ Und so weiter, alles ganz furchtbar.

Weder der Bundesjustizminister noch die kritisierte Gutachterin seien zu einer Stellungnahme bereit gewesen, heißt es. Aber es ist nun nicht so, dass es gar keine fachliche Stellungnahme gegeben hätte. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) e.V. – Sektion Rechtspsychologie – hat im November 2015 einen ausführlichen Brief an die Redaktion plusminus geschrieben. Darin heißt es unter anderem:

„Sie lassen Andrea Jacob als “Expertin” zu Wort kommen. Frau Jacobs Einschätzungen sind in Fachkreisen hoch umstritten. Sie nennen sie “Rechtspsychologin”, anscheinend ohne sich näher über ihre Qualifikation und die Voraussetzungen dieser Berufsbezeichnung informiert zu haben. Über die spezifische, rechtspsychologische Weiterbildung verfügt Frau Jacob nicht. Ferner ist auch zweifelhaft, ob sie Psychotherapeutin ist […]“
http://www.rechtspsychologie-bdp.de/2015/11/brief-an-plusminus/

Nur eben, dass diese Stellungnahme den schönen Skandal gestört hätte, weshalb sie der plusminus-Redaktion nicht weiter erwähnenswert schien. Psiram ist in der Lage, noch weitere Details zur Qualifikation von Frau Jacob beizusteuern. Bereits weit vorher, im Umfeld der Diskussion um die Causa Mollath (wenn auch in der späten Phase), hatte sich Frau Jacob durch einige – sagen wir, schräge – Einschätzungen in anderen Fällen bekannt gemacht. Dies war uns Anlass, uns kundig zu machen über die indischen Bildungseinrichtungen, an denen sie ihre akademischen Meriten erworben hat.

Dann geschah ein Glücksfall. Eine Kollegin der Frau Jacob beschwerte sich darob und übermittelte das Faksimile der Anerkennung dieser Titel durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen. Interessante Sache, das. Und je länger man das betrachtet, um so interessanter.

Faksimile der Zentralstelle für Titelbeschiss: Zeugnisbewertung

Faksimile der Zentralstelle für Titelbeschiss: Zeugnisbewertung

Zunächst wird von der Behörde bescheinigt, dass Frau Jacob am 30.12.2008 einen „Master of Arts“ im Fach „Psychology“ in einem zweijährigen Fernstudium an der „anerkannten Privathochschule“ (namens „Eastern Institute for Integrated Learning in Management University“, EIILM) in Jorethang, Sikkim, abgeschlossen habe.
Doch, halt:
Das Diplom in Psychologie erlangt man erst nach einem fünfjährigen Direktstudium. Zum „ersten Teil“ des „Studiums“ haben wir keine Informationen, aber wie war es möglich, dass ein zweijähriges Fernstudium als gleichwertig anerkannt wurde? Und Frau Jacob hat in diesen beiden Jahren nicht nur einen Master of Arts hingelegt, sondern gleichzeitig noch einen zweiten. An der Bundelkhand-University, in Jhansi (Uttar Pradesh); ebenso two thousand light years from home, aber tausend Kilometer Luftlinie von Sikkim entfernt. Außerdem war sie um diese Zeit Abgeordnete des Gießener Kreistags (und löste mit ihrem absolut unakzeptablen Verhalten Pressemeldungen von Landtagsabgeordneten aus, hier). Ein echtes Wunderkind.
Merkwürdig auch, dass Frau Jacob, die es doch als einzige genau wissen müsste, den Namen dieser Bildungseinrichtung in ihren Briefköpfen konstant falsch schreibt (EILLM statt EIILM). Jorethang ist eine Gemeinde von 3000 Einwohnern in Sikkim, am Fuß des Himalaya, zwischen Nepal und Buthan, zwischen Bangladesch und Tibet. Das EIILM wurde 2006 gegründet (hier). Es findet sich im Internet ein „Bericht vom Besuch eines Inspektionskommittees“ in dieser Einrichtung im März 2008 (hier). Unter den vier Kursen mit insgesamt 24 Lehrkräften ist „Psychology“ nicht erwähnt. Es existieren Berichte, dass der Präsident, der Kanzler und der Vizekanzler dieser Universität unter dem Vorwurf der Fälschung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet worden sind. Die Polizei teilte mit, dass Master-Abschlüsse an Personen vergeben worden waren, die die Universität nie besucht hatten (hier). Im Juni 2013 stellte der Oberste Gerichtshof von Sikkim fest: Die Einrichtung hatte die Genehmigung für nur drei Fernkurse, und dies erst nach 2008: „B.A. (Hospitality & Tourism), B.C.A [d. i. Bachelor of Computer Application] and MBA [Master in Business Administration].“ – Kein “Master of Arts” in “Psychology”, nirgends.

this University has been illegally offering more than a dozen courses beyond the period of the academic year in violation of the prescribed rules. Further, this University is offering more than 50 courses in Distance Learning Mode without any basis.

E.I.I.L.M. University is also allegedly attracting these students who have failed their examination and providing them mark sheets after receiving money in the name of fees, tuition fees etc. The students who are being enrolled in this University as regular students are neither visiting the University Campus nor attending any classes for earning their degree.
High Court of Sikkim

Auch die Bundelkhand-University ist nicht nur anerkannt, sondern ebenso – zufällig genau in der Zeit, als Frau Jacob ihren Abschluss machte – in der Bredouille:

Investigations revealed that degrees of Bundelkhand University in Jhansi were procured at a price ranging between Rs 1.5 and Rs 2 lakh.
Times of India

Die Fake-Universitäten sind in Indien ein echtes Problem. Es gibt sogar die Möglichkeit, gegen eine Gebühr zu prüfen, ob der Abschluss eines Bewerbers echt ist; hier. Ob die Zentralstelle wohl die Handvoll Rupien aufgebracht hat, die Abschlüsse der Frau Jacob hier mal hineinzustopfen?

Und da haben wir uns noch gar nicht mit den farbenprächtigen Subspezialisierungen befasst, die Frau Jacob im Wappen führt:

Psychologist MA, EILLM and Bundelkhand University
Psychologin für Klinische, Neurologische, Pädagogische,
Kriminalistische und Forensische Psychologie
Doctor of Philosophy, Bundelkhand University

Uns hätte beispielsweise interessiert, was „Neurologische Psychologie“ wohl genau bedeuten mag; zur Rechtspsychologie hatte sich ja oben schon der Fachverband geäußert. Aber damit noch nicht genug der Merkwürdigkeiten. 2011 war im Gießener Anzeiger ein Bericht erschienen: „Ganz ohne echtes Diplom als Psychologin agiert – Geldstrafe gegen 52-Jährige“. Zum Geschäftsmodell der Frau Jacob siehe noch hier.

Es wäre nicht übermäßig komplex gewesen, ein bisschen gewissenhaften Journalismus zu betreiben und das selbst herauszufinden, werte plusminus-Redaktion. Statt dessen macht das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen, immer in der ersten Reihe, im eilfertigen Bemühen um Skandal und Quote lieber den Zutreiber für windige Geschäfte.

Visionssuche in der Wüste, oder: Wie eilig haben Sie es zum Friedhof?

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mumie

Dass etliche esoterische Angebote zwar dem Portemonnaie der Anbieter, nicht jedoch der Gesundheit der Kundschaft förderlich sind, ist uns bei Psiram ja nicht neu. Nur wenige allerdings bieten den Kunden einen potenziell derart schnellen Ausweg aus der irdischen Misere wie eine Veranstalterin von Visionssuchen aus Berlin.

Angelika Brosin führt dort eine Shiatsu-“Praxis“, ist aber offenbar auch an Zuverdienst interessiert. Daher organisiert sie für die Kundschaft (maximal vier Teilnehmer) eine Visionssuche in der Wüste, und zwar in der Rub al-Khali. Diese befindet sich im Süden der arabischen Halbinsel; der Name bedeutet auf Deutsch „Leeres Viertel“, und dies darf als Hinweis darauf gesehen werden, wie lebensfeindlich die Umwelt dort ist.

Nun handelt es sich bei der Visionssuche um eine von einigen nordamerikanischen indigenen Ethnien praktizierte Zeremonie, bei der die Teilnehmer vier Tage und vier Nächte allein „in der Wildnis“ verbringen – ohne Nahrung und ohne Wasser. Üblicherweise ist dies eine Übergangszeremonie, die von männlichen Jugendlichen absolviert wird, die sich auf das Erwachsenenalter vorbereiten. Auf dem Esoterikmarkt richtet sich das Angebot dagegen an ein bereits erwachsenes Publikum, dem dadurch Selbsterkenntnis sowie auch Entscheidungshilfen in Aussicht gestellt werden. Gerne darf die Visionssuche bei esoterischen Anbietern auch mehrfach wiederholt werden, was ebenfalls nicht indigenen Gepflogenheiten entspricht. Frau Brosin wirbt daher auch ganz szenekonform mit:

„Die VisionsSuche wendet sich an Menschen, die sich eine Wandlung aus einer Krise wünschen oder eine tiefe Sehnsucht verspüren, in ihrem Leben etwas zu verändern.
Das kann eine neue Arbeitsstelle, eine Heirat, Kinderwunsch und Elternschaft, Krankheit, Scheidung, Umzug, Unzufriedenheit, Zweifel, Neugier, Eintritt ins Alter, u.v.m. sein.“
www.shiatsu-berlin.net

Was die Visionssuche nun aber mit Shiatsu zu tun hat? Nichts. Frau Brosin gibt ja auch nicht den leisesten Hinweis darauf, wer ihre Ausbilder hinsichtlich der Visionssuche waren und ob sie überhaupt eine der am Esoterikmarkt üblichen Ausbildungen hierzu durchlaufen hat. Aber selbst diese im allgemeinen selbst nur sehr begrenzt ausgebildeten Personen hätten ihr sagen können und müssen, dass es mit der Visionssuche in einer Wüste kritisch wird. Zwar wird die Reise erst im Oktober 2016 stattfinden, aber der Temperaturunterschied zwischen Nordeuropa und der Rub al-Khali ist auch dann beträchtlich und kann gesundheitliche Probleme verursachen – auf die Frau Brosin nicht hinweist.

Zusätzlich weist sie die Kunden nur an, einen Tag vor Beginn anzureisen. Da die ersten vier Tage der „Vorbereitung“ gewidmet sind, hat ein Kunde also theoretisch fünf Tage Zeit, sich an das Klima anzupassen. Nicht eben viel. Zudem werden diese ersten fünf Tage in einem an der Küste in Salalah gelegenen Hotel verbracht, wo die klimatischen Bedingungen andere sind als in der Wüste. Hierzu aus einem Reisetipp: „In der Wüste Rub-Al-Khali steigt die Temperatur bis zu mehr als 50° C. Wegen der brütenden Hitze muss täglich mehr als 10 Liter Flüssigkeit eingenommen werden.“ (s. hier) Ebenfalls bemerkenswert ist, dass Frau Brosin keinerlei Empfehlungen hinsichtlich der mitzuführenden geeigneten Kleidung abgibt.

Und dann geht’s los:

„5.Tag: Früh morgens Aufbruch in die Wüste zum Basislager, ca. 300km Fahrt. Im Basislager angekommen findet jeder seinen eigenen Kraftplatz. Die Abstände zueinander sind groß genug, um sich nicht durch den Nachbarn gestört zu fühlen und gleichzeitig nah genug, um nicht verloren zu gehen.
Abends gibt es letzte Instruktionen. Diese Nacht verbringen wir noch gemeinsam im Basislager (im Freien).
6.-9.Tag: Bei Sonnenaufgang begibt sich jeder nach einer Zeremonie zu seinem Kraftplatz und verbringt dort alleine die nächsten 4 Tage und 4 Nächte.
Du bist in Sicherheit. Wir sind im Basislager rund um die Uhr für Dich da!
Für genügend Wasser ist gesorgt.“
www.shiatsu-berlin.net

Die zahlende Kundschaft ist also 300 km von zivilisatorischen Einrichtungen (wie Arzt oder Krankenhaus) entfernt irgendwo in der Wüste – das kann sehr interessant werden, wenn jemand rascher ärztlicher Hilfe bedarf. Klimatisch nicht angepasste Europäer können nach ganztägiger Sonneneinwirkung in diesem Klima doch schon mal Erscheinungen wie Kreislaufkollaps oder Hitzschlag (übrigens lebensbedrohlich) entwickeln. Von irgendwelchen unerwünschten Begegnungen der dritten Art mit der dort üblichen Fauna nicht zu reden. Dass dann jemand in einem entfernten Basislager rund um die Uhr „für dich da“ ist, wird im Ernstfall nur ein schwacher Trost sein.

Und wie jetzt – „Für genügend Wasser ist gesorgt“? Bei einer Visionssuche wird weder Nahrung noch Flüssigkeit konsumiert! Es ist natürlich möglich, dass Frau Brosin eine „Visionssuche ganz light“ durchführt und den Kunden täglich literweise Wasser an „den Kraftplatz“ liefert. Das aber wäre entgegen des üblichen Prozedere und stört außerdem bei der gebotenen Konzentration auf eine Vision.

Natürlich ist es nicht ganz billig, sein Leben mit Hilfe einer unbedarften Eso-Anbieterin in der Rub al-Khali aufs Spiel zu setzen: „Kosten: 1990,- Euro zuzügl. Flug, Hotel, sowie Lunch und Dinner“. Äh ja – Flug sowie Hotel und Mahlzeiten kommen noch oben drauf… Für elf Tage ist das kein schlechter Kurs – sofern man auf der einnehmenden Seite sitzt.

Vor allem, wenn der Disclaimer gleich auf der Webseite verkündet:

„Haftung:
Mit der Anmeldung erklärst du dich verbindlich einverstanden, dass du für dein Handeln innerhalb und außerhalb der VisionsSuche die volle Verantwortung übernehmen kannst und übernimmst und Kursleitung und Gastgeber von Haftungsansprüchen freistellst. Deine Teilnahme ist freiwillig und dir ist klar, dass die VisionsSuche keine ggf. notwendige Behandlung durch einen Arzt oder Psychologen ersetzt.“
www.shiatsu-berlin.net

Also, liebe Visionssuchende, falls Sie irgendwelche gesundheitlichen Schäden davontragen oder gar in der Wüste den Löffel aus der Hand legen – auf jeden Fall ist Ihre Kursleitung frei von Haftungsansprüchen. Davon haben Sie vielleicht nichts mehr, aber Ihre Hinterbliebenen könnte es ein wenig gegen den Strich bürsten.

Angesichts von soviel Ahnungslosigkeit, Dreistigkeit und Mut zum Risiko bezüglich des Lebens bzw. der Gesundheit der Kundschaft vergeben wir unser Gütesiegel mit entsprechendem Nachdruck.

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Wenn Impfgegner eine Krankenkasse gründen wollen, oder: Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 1)

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KK-Serie

Wie konnten wir sie nur so lange übersehen? Seit bald zwanzig Jahren spielen Teile unserer Klientel „Krankenkasse“, trotzdem wurden die „Solidargemeinschaften“ bislang noch mit keinem Wort im Blog erwähnt. Glücklicherweise hat sich mit labude. eine Leserin unseres Blogs bereit erklärt, diese Lücke zu schließen. Damit beginnen wir eine Reihe zu den „besseren, weil ganzheitlichen“ Krankenkassen, hochpopulär in den Dunstkreisen von Anthroposophen. Wir wollten sachlich und neutral, labude. wollte poltern. Das habe die Krankenkassen-Mafia, die diesen Spaß finanziert, beim letzten Bilderberger zur Auflage gemacht, sagt sie.


 

Ich hab‘ nichts gegen Waldorf-Erziehung. Ein paar meiner besten Freunde waren auf Waldorf-Schulen. In den 1980er Jahren. Ihre Schilderungen von Familientreffen sind zum Schreien komisch. Während ich meinen Eltern immer noch nicht ganz verziehen habe, dass sie mir mit 16 noch nicht mal ein ganz winzigkleines Piercing (das wäre wirklich kaum aufgefallen!) in der Augenbraue erlaubten, werfen die ihren Eltern vor, dass sie ohne Abitur und Englisch-Kenntnisse kaum eine Chance auf einen interessanten, lebensunterhaltssichernden Job hatten. Aber dafür eine Menge selbstgeflochtener Körbe. Ich hab‘ mir das Piercing dann mit 18 stechen lassen – und es mit 18 1/2 wieder rausgenommen, es sah wirklich ein bisschen doof aus. Meine Freunde mussten das Abitur nachmachen, mit Mitte 20, neben einem Beruf, den sie gehasst haben, und wurden in ihrer persönlichen Lebensplanung um Jahre zurück geworfen.

Worüber in der Aksaha-Chronik nichts steht

Mittlerweile ist es einfacher geworden, nach einer Waldorf-Schule auch eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben, nur rechnen können die Waldorf-Kinder von damals offensichtlich immer noch nicht. Die Sache mit den Zahlen und den exakten Ergebnissen, so ganz ohne Entfaltungsspielräume für die Temperamente, ist vermutlich einfach so gar nicht „Waldorf“. Mit Wasserfarben malen und mit Holz arbeiten kann man da auch nicht so richtig. Aber: In der diversifizierten Arbeitswelt von heute kann jeder seine Nische finden und dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der erwachsenen Bundesbürger knapp am mathematischen Nixblickertum vorbeischrappt, wäre auch gar nicht so schlimm, wenn die nicht ständig Dinge machen würden, die zumindest elementares mathematisches Verständnis voraussetzen. Die Wahrscheinlichkeit eines Impfschadens nach einer MMR-Impfung gegen die Wahrscheinlichkeit einer subakuten sklerosierenden Enzephalitis nach einer Masern-Erkrankung abwägen, zum Beispiel. Oder eine Versicherung, speziell eine Krankenversicherung, gründen.

Bull und Shit, könnte der geneigte Leser jetzt denken, warum sollten die notorisch Fakten-feindlichen Personenkreise, die das Psiram-Wiki bevölkern, denn Versicherungen gründen? Wir Deutschen haben die Gesetzliche Krankenversicherung erfunden, was soll man da denn noch besser machen? Über 72 Millionen Bundesbürger sind gesetzlich versichert, 85% davon sind dazu sowieso verpflichtet. Wir gehen zum Arzt, reichen’s Kärtchen über’n Tresen, jammern ein bisschen über die halbe Stunde Wartezeit, aber dann kommt der Onkel Doktor und nimmt sich so um die acht Minuten Zeit (PDF) für uns. Dafür zahlen wir pro Monat im Schnitt 15,5% vom beitragspflichtigen Brutto-Arbeitsentgelt, ganz bequem, macht der Arbeitgeber. Das reicht, um unseren Blutdruck um exakt 17 mmHg (geschätzt) in die Höhe zu treiben. Denn diese Beiträge bekommen wir doch nie im Leben wieder rein, wo wir uns doch immer vernünftig ernähren, ausreichend bewegen und sowieso gut auf uns achten. Kosten verursachen immer nur die anderen, also die, die ihren Kindern Mezzo-Mix ins Fläschchen tun, statt die empfohlenen drei bis vier Jahre voll zu stillen (Merke: Wenn es alt genug ist, um „Will Titti!“ zu sagen, ist es höchste Zeit, mit dem Stillen aufzuhören.).

Und weil es doch total gemein ist, für andere, im schlimmsten Fall auch noch kranke Menschen zahlen zu müssen, wenn man selbst im Besitz der alleinseligmachenden, unumstößlichen Wahrheit zur Krankheitsgenese ist (Krankheiten gibt es nicht. Können mit Zuckerkügelchen geheilt werden. Sind auch alle immer nur psychosomatisch.), dachten sich anthroposophische und anderweitig rational inhibierte Kreise in Freiburg, Heidelberg, Bremen und Magstadt (Where the F**k???), sie könnten es besser und gründeten „Solidargemeinschaften“ als bessere, weil „ganzheitliche“ Krankenkassen.

Zieh‘ Leine, Bismarck, da zeigt dir mal jemand, wie’s richtig geht!

Im Moment stellt sich der Gesetzgeber leider noch quer, mit so Scheinargumenten wie „Versicherungspflicht“ und „Solidaritätsprinzip“ und so, und erlaubt die „Unterstützungseinrichtungen“ und „Gesundheitsfonds“ höchstens als Alternative zur PKV oder zur freiwilligen GKV, aber steter Tropfen höhlt den Stein. Das Konzept ist so gut, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis ein Politiker der Grünen einen hellen Moment hat. Sogar unser aller Oberster Souverän, seine Majestät Peter der I. von und zu Wittenberg, hat mit der „NeuDeutschen Gesundheitskasse“ hier ein Betätigungsfeld gefunden, das von jedem denkenden Menschen eigentlich als kritisches Signal im Hinblick auf die Tragfähigkeit des Konzepts gedeutet werden könnte. Aber, Cave: Von jedem denkenden Menschen.

Denn was genau machen die „Solidargemeinschaften“ jetzt wirklich besser als die schnöde AOK von nebenan? Also zunächst einmal sind sie „ganzheitlich“. Und dann sind sie „dezentral“. „Transparent“ sowieso. Und „subsidiär“. Aber trotzdem auch irgendwie „solidarisch“. Und sie bezahlen Heilpraktiker. Wenn sie überhaupt zahlen. Denn die Solidargemeinschaften sind vor allem eines: „freiwillig“. Das klingt bei einer Krankenkasse erst mal ganz toll, denn „freiwillig“ ist gut. „Freiwillig“ ist „selbstbestimmt“. Ich finde „freiwillig“ eigentlich immer toll. Z.B. würde ich auch viel lieber meine GEZ-Beiträge „freiwillig“ zahlen. Nun gut, wahrscheinlich würde ich sie dann gar nicht zahlen, aber das wäre dann eben auch „freiwillig“.

Die „Solidargemeinschaften“ entmündigen ihre Mitglieder nicht, sondern bauen darauf, dass diese sich engagieren, für sich selbst und in der Gruppe. Dafür gibt es in den gesetzlichen Krankenkassen die Sozialwahlen, aber wer wird denn auch so niggelich sein und darauf hinweisen, dass echtes bürgerschaftliches Engagement oft beschwerlich ist und nicht ganz so kommod wie die Treffen beim Henner, dem Leiter der Artabana-Ortsgruppe „Wherethef**khausen“, am Esstisch aus Buchenholz?

Aber kann es funktionieren? Mal so ganz realistisch betrachtet? So ganz ohne Flötenklänge und eurythmisches Geflatter? Nö. Kann es nicht. Das macht wahrscheinlich nichts, denn die Beteiligten haben viel zu viel Spaß, mit den Nachbarskindern „bessere, weil ganzheitliche Krankenkasse“ zu spielen. So wie früher „Kaufmannsladen“, jetzt halt nur mit Entscheidungen über den Wert der Stoßwellenlithotripsie bei Harnsteinen oder die ambulante Durchführung von Apheresen als extrakorporales Hämotherapieverfahren (PDF). Wobei es an dem Buchenholz-Tisch vom Henner doch wohl eher um Misteln, Terlusollogie und Hopi-Kerzen geht.

Nächste Woche geht es weiter mit Teil 2: Das „Konzept“ in ihren eigenen Worten – die Satzungen der Solidargemeinschaften

 

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